Echt ätzend!

Maßnahmen bei Chemieunfällen

Ein Chemieunfall kann zu Verätzungen führen. Sie sind besonders gefährlich, weil die Haut oder das Auge nicht nur oberflächlich, sondern tiefgreifend und nachhaltig geschädigt wird. Das Spülen mit Wasser ist zur Dekontamination nicht immer die beste Lösung.

Text: Prevor GmbH

AUF DEN PUNKT:

  • Eigenschaften und Konzentration des Gefahrstoffs sowie die Kontaktzeit mit dem Gewebe beeinflussen die Schwere der Verätzung
  • Bei Verätzungen ist eine schnelle Notdekontamination entscheidend
  • Eine aktive Spüllösung hat gegenüber Wasser Vorteile

Was ist eine Verätzung?

Eine Verätzung ist eine äußerliche Verletzung unseres biologischen Gewebes, die durch den Kontakt mit einem reizenden beziehungsweise ätzenden Gefahrstoff verursacht wird. Die Schwere der Verätzung ist im Wesentlichen an die Art des Gefahrstoffs und die Beschaffenheit des betroffenen Gewebes gebunden.

Erste Angriffsflächen für den Gefahrstoff sind die Haut, das Auge, der Verdauungstrakt und die Atemwege. Wenn der Gefahrstoff im Körper bis in die Organe oder ins Blut gelangt, kann es zu weiteren Schädigungen kommen. Beispielsweise ist Benzol reizend für Haut und Augen. Der Stoff ist krebserregend, erbgutverändernd und kann auch in den DNA-Ketten die Zellteilung beeinträchtigen. Dies kann zur Zerstörung der Zellen (Aplasie) führen und Leukämie verursachen.

Welche Gefahrstoffe können eine Verätzung verursachen?

Gefahrstoffe werden je nach Schweregrad der Verätzungen, die sie hervorrufen können, als ätzend oder reizend eingestuft.

  • Ätzende Stoffe verursachen die Zerstörung des Gewebes, mit dem sie in Kontakt kommen, und führen zu schweren Verletzungen.
  • Ein reizender Stoff verursacht eine Reizung, Rötung oder Entzündung.
  • Unter Umständen kann der gleiche Gefahrstoff, abhängig von der Konzentration und von der Umgebung, in der er sich befindet, ätzend oder reizend sein.

Wie entsteht eine Verätzung?

Der Entstehung einer Verätzung kann in drei Phasen unterteilt werden:

  1. Kontakt: Ein Gefahrstoff gelangt auf die Haut oder ins Auge, wird eingeatmet oder verschluckt und hat so Kontakt zum Verdauungstrakt (Mund, Speiseröhre, Magen …).
  2. Eindringen: Nach dem Kontakt dringt der Gefahrstoff trotz der biologischen Barrieren so lange in das Gewebe ein, bis er einen biologischen Bestandteil erreicht, auf den er einwirken kann.
  3. Chemische Reaktion: Sobald der Gefahrstoff den biologischen Bestandteil erreicht hat, findet die chemische Reaktion statt. Das biologische Gleichgewicht ist gestört, das Gewebe zerstört und die Verätzung entsteht.

Die Art, die Tiefe und der Schweregrad der Verätzung hängen von vielen Faktoren ab, zum Beispiel von den Eigenschaften und der Konzentration des Gefahrstoffs sowie der Kontaktzeit zwischen Gefahrstoff und Gewebe.

Wie wird eine Verätzung behandelt?

Wenn ein Mensch Kontakt mit einem Gefahrstoff hatte, ist eine Spülung von absoluter Dringlichkeit. Schnelles Eingreifen nach dem Kontakt kann das Ausmaß der Verätzung einschränken.

Um wirkungsvoll zu dekontaminieren, müssen die Kontaktdauer und die Reaktion des aggressiven Gefahrstoffs auf das Gewebe eingegrenzt werden. Hierzu muss man

  • den Gefahrstoff von der Oberfläche der Haut oder des Auges entfernen,
  • das Eindringen des Gefahrstoffs in das Innere des Gewebes stoppen und den bereits eingedrungenen Gefahrstoff entnehmen,
  • das ätzende oder reizende Potenzial des Gefahrstoffs senken, um die Bildung einer Verätzung zu vermeiden.

Bei einer Notfallbehandlung muss die betroffene Person gegebenenfalls entkleidet werden. Sollte die Kleidung von dem ätzenden oder reizenden Gefahrstoff durchnässt sein, kann dieser bei Hautkontakt noch weiter reagieren. Anschließend ist eine ausgiebige Spülung durchzuführen, die das mechanische Abspülen des Gefahrstoffs von der Körperoberfläche ermöglicht.

Nach der Erste-Hilfe-Dekontamination sind weitere Behandlungen und ärztliche Betreuung erforderlich. Die Behandlung – meist in Verbrennungszentren von Krankenhäusern – ähnelt häufig der von Verbrennungen. Die Vernarbung dauert bei Verätzungen allerdings länger und Transplantationen halten schlechter.

Gründlich spülen – aber wie?

„Gründlich mit Wasser spülen“ – diese Empfehlung zur Dekontamination nach einem Gefahrstoffkontakt ist immer noch weitverbreitet. Das Spülen mit Wasser hat Vorteile, aber auch Nachteile.

  • Vorteile: Der Zugang zu Wasser ist in der Regel einfach und es ermöglicht, eine Vielzahl an Chemikalien mit der gleichen Wirksamkeit zu spülen. Wasser entfernt den Gefahrstoff von der Oberfläche der Haut oder des Auges – das ist seine Hauptwirkung. Darüber hinaus ist das Spülen mit einer großen Wassermenge ausreichend, um die Chemikalie zu verdünnen. Je weniger konzentriert der Gefahrstoff ist, umso weniger aggressiv ist er.
  • Nachteile: Die Spülung mit Wasser begünstigt das Eindringen des Gefahrstoffs in das Gewebeinnere. Ein Teil des zur Spülung genutzten Wassers wird in das Innere des Gewebes eindringen und einen Teil des Gefahrstoffs mitnehmen, wo er Schädigungen und Verätzungen verursacht. Wasser kann außerdem den Gefahrstoff, der bereits in die Haut oder das Auge eingedrungen ist, nicht entfernen. Zudem hat Wasser keine chemische Wirkung auf die Reaktivität des Gefahrstoffs, dessen Gefahr nimmt also durch die Spülung nicht ab.

Die Spülung mit Wasser bewirkt einen mechanischen Abspüleffekt der Oberfläche und eine Verdünnung des Gefahrstoffs. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass bei chemischen Kontaminationen mit ätzenden und reizenden Stoffen die Spülung mit einer aktiven Spüllösung effizienter ist.

DAS UNTERNEHMEN

Die Prevor GmbH ist eines der führenden Unternehmen auf dem Gebiet des Umgangs mit Gefahrstoffen bei chemischer Kontamination. Seit mehr als 50 Jahren treibt die Prevor-Gruppe die Forschung in den Bereichen Dekontamination, Umweltschutz und chemische Risiken voran.