Neue Regeln für Asbest

Asbest galt einst als „Wunderfaser“ und wurde in der Bauindustrie wegen seiner Festigkeit, seiner Hitzebeständigkeit und seiner Dämmeigenschaften gern und oft genutzt – bis festgestellt wurde, dass der Stoff krebserregend ist, und der Einsatz 1993 in Deutschland verboten wurde. Trotzdem findet sich Asbest noch in vielen Gebäuden. Für Tätigkeiten beim Bauen im Bestand gelten nun neue Regeln.

Text: Andrea Bonner

AUF DEN PUNKT:

  • Bei Umbau- und Sanierungsarbeiten von Bestandsgebäuden können Asbestfasern freigesetzt werden
  • Mehr Pflichten für Bauherren und Bauunternehmen
  • Neue Handlungsmöglichkeiten bei Tätigkeiten mit Asbest – sichere Arbeitsverfahren vorausgesetzt

Ampel-Modell für die Risikobewertung

Mit der Novellierung der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) wurde ein risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen eingeführt. Dieses ist bereits aus der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 910 bekannt und wurde nun verbindlich in der Gefahrstoffverordnung verankert. Für die praktische Umsetzung bedeutet das: Die Anforderungen an die Schutzmaßnahmen richten sich nach dem Risiko, durch die jeweilige Tätigkeit an Krebs zu erkranken.

Das Konzept definiert drei Risikobereiche: hohes Risiko, mittleres Risiko und geringes Risiko. Aufgrund der Farbgebung der Risikobereiche (rot, gelb, grün) wird es auch „Ampel-Modell“ genannt. Mithilfe des „Ampel-Modells“ können Unternehmen für die Arbeit mit krebserzeugenden Gefahrstoffen die Schutzmaßnahmen risikobezogen festlegen. Je höher die Belastung am Arbeitsplatz ist, desto umfangreicher müssen die Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten sein.

Neue Pflichten für Bauherren

Die GefStoffV legt Pflichten für Veranlasser von Tätigkeiten an baulichen oder technischen Anlagen fest: Wenn bei einer Baumaßnahme Gefahrstoffe freigesetzt und dadurch besondere Gesundheitsgefahren verursacht werden können, müssen sie das ausführende Unternehmen bei der Gefährdungsbeurteilung unterstützen. Das heißt konkret: Der Veranlasser von Bauarbeiten muss dem ausführenden Unternehmen vor Beginn der Tätigkeiten alle ihm vorliegenden Informationen zu bekannten oder zu vermuteten Gefahrstoffen zur Verfügung stellen. Bezogen auf mögliche Asbestvorkommen gehört dazu insbesondere die Angabe zum Baujahr beziehungsweise zum Baubeginn des Gebäudes.

Ermittlungspflicht für Bauunternehmen

Die vom Veranlasser bereitgestellten Informationen sind vom ausführenden Unternehmen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Sollten die vorliegenden Auskünfte nicht ausreichen, müssen die Bauunternehmen prüfen, ob sie ergänzende Informationen einholen können, beispielsweise durch eine technische Erkundung. Dabei entstehende Kosten gelten als besondere Leistung und müssen vom Veranlasser übernommen werden.

Im Fokus: Asbest

Obwohl Asbest in Deutschland seit 1993 verboten ist, ist der Gefahrstoff in vielen Bestandsgebäuden nach wie vor vorhanden. Bei Umbau- oder Sanierungsarbeiten können Asbestfasern freigesetzt werden und schwere Erkrankungen verursachen. Im Jahr 2024 gab es im Verantwortungsbereich der BG BAU nach vorläufigen Zahlen 2.332 neue Meldungen auf Verdacht einer asbestbedingten Berufskrankheit. 270 Menschen starben im vergangenen Jahr an den Folgen.

Die neue Gefahrstoffverordnung trägt dieser Realität Rechnung: Bei Tätigkeiten in und an älteren Gebäuden besteht nach wie vor das Risiko, mit asbesthaltigen Materialien in Kontakt zu kommen. So steckt Asbest in alten Dach- und Fassadenplatten, Bodenbelägen oder Brandschutzisolierungen. Der Stoff wurde aber auch in Putzen, Spachtelmassen, Fliesenklebern und anderen bauchemischen Produkten verwendet.

Gerade für Tätigkeiten zur Instandhaltung von Gebäuden, der energetischen Sanierung oder der barrierefreien Umgestaltung von Wohnungen war es deshalb notwendig, praxisnahe und zugleich wirksame Regelungen zum Schutz der Beschäftigten zu schaffen.

Vorgehen bei Tätigkeiten mit Asbest

Für den Umgang mit Asbest gelten strenge Verwendungs- und Tätigkeitsbeschränkungen. Ausnahmen – sogenannte zulässige Tätigkeiten – sind an die Begriffe Abbruch, Sanierung und Instandhaltung geknüpft. Mit der novellierten GefStoffV wurden die zulässigen Tätigkeiten um die sogenannte funktionale Instandhaltung im Bereich des niedrigen und mittleren Risikos erweitert. Dazu zählen Tätigkeiten, die der laufenden Nutzung eines Gebäudes dienen oder für eine Anpassung an den Stand der Bautechnik erforderlich sind.

Die Novelle schafft hier neue Handlungsmöglichkeiten: So ist es nun beispielsweise zulässig, Schlitze in asbesthaltigen Putz zu fräsen, um neue Leitungen zu verlegen – vorausgesetzt, es kommen sichere Arbeitsverfahren zum Einsatz.

Tätigkeiten mit Asbest dürfen nur von Fachbetrieben durchgeführt werden, die über geeignete sicherheitstechnische, organisatorische und personelle Voraussetzungen verfügen. Dabei bestimmt das Risiko, das von den Tätigkeiten ausgeht, die konkreten Anforderungen an die Schutzmaßnahmen, Anzeige- und Zulassungsverpflichtungen sowie die erforderliche Qualifikation. Im Bereich des hohen Risikos dürfen weiterhin ausschließlich spezialisierte Fachfirmen mit Zulassung tätig werden. Wichtig: Diese Verwendungs- und Tätigkeitsbeschränkungen gelten auch für private Haushalte.

Unterstützung durch die BG BAU

Um Unternehmen bei der Umsetzung der Gefahrstoffverordnung zu unterstützen, hat die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) im Leitfaden „Asbest beim Bauen im Bestand“ die konkreten Anforderungen an Arbeiten mit Asbest in Bestandsgebäuden zusammengefasst. Der Leitfaden enthält unter anderem eine Checkliste für die richtige Wahl der Schutzmaßnahmen, eine Hilfestellung für die Gefährdungsbeurteilung und eine Musterbetriebsanweisung. Den Leitfaden und weiterführende Infos gibt es unter: www.bgbau.de/asbest

DIE AUTORIN

Bauingenieurin Andrea Bonner ist Referentin in der Abteilung „Stoffliche Gefährdungen“ in der Hauptabteilung Prävention der BG BAU. Ihre Themenschwerpunkte sind kontaminierte Bereiche, Gebäudeschadstoffe und Asbest. Sie leitet das Sachgebiet Sanierung und Bauwerksunterhalt des DGUV Fachbereichs Bauwesen, vertritt die BG BAU in zahlreichen Arbeitskreisen und wirkt bei der Erstellung Technischer Regeln und Handlungsanleitungen mit.