„Führungskräfte sind wichtig für gesunde Arbeitsbedingungen“
Frau Heptner, können Führungskräfte helfen, psychische Belastungen bei den Beschäftigten vorzubeugen?
Heptner: Führungskräfte sind wichtige Treiber für die Gestaltung gesunder Arbeitsbedingungen in ihrem Team. Ein hilfreiches Instrument dafür ist die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, mit der die Arbeitssituation unter die Lupe genommen und Verbesserungen auf den Weg gebracht werden.
Wichtig ist es, regelmäßig mit dem Team darüber im Austausch zu sein: Wer hat gerade wie viel zu tun? Was läuft gut, was läuft nicht rund? Das kann zum Beispiel in Teambesprechungen erfolgen, am besten als erster Punkt, damit er nicht hinten rüber fällt.
Längst nicht alle psychischen Beeinträchtigungen sind arbeitsbedingt. Auch hier gilt: Ein offenes Ohr für die Mitarbeitenden zu haben bildet eine gute Grundlage, um zu erfahren, wie es ihnen geht und welche privaten Herausforderungen sie haben. Die Führungskraft kann dann schnell reagieren und mit dem oder der Mitarbeitenden besprechen, auf welche Weise sie unterstützen kann. Ist die Person beispielsweise durch die Pflege der eigenen Eltern beansprucht, dann können flexiblere Arbeitszeiten eine Lösung sein.
Gibt es bestimmte Warnzeichen oder Verhaltensweisen, die Führungskräfte zum Handeln animieren sollten?
Heptner: Wenn Führungskräfte regelmäßig mit ihren Mitarbeitenden im Austausch stehen und ein vertrauensvolles Miteinander herrscht, dann bekommen sie es womöglich von der betroffenen Person mitgeteilt. Aber auch auf nonverbaler Ebene lässt sich meist eine Veränderung feststellen: Zieht der oder die Mitarbeitende sich über Wochen verstärkt zurück, zeigt weniger Freude auf der Arbeit, reagiert häufiger aufgebracht oder ist weniger leistungsfähig, dann sind das Anhaltspunkte dafür, dass eine Person psychisch beeinträchtigt ist.
Viele Beschäftigte arbeiten während der Pandemie im Homeoffice. Für Führungskräfte, aber auch Kolleginnen und Kollegen, dürfte es aufgrund der räumlichen Distanz allerdings schwierig sein, psychische Belastungen zu erkennen, oder?
Heptner: Wenn der Austausch auf rein fachlicher Ebene stattfindet, dann ist das sicher schwierig. Viele Führungskräfte und Teams haben mittlerweile jedoch gemerkt, wie wichtig informeller Austausch ist, und gute Formate dafür gefunden. In der digitalen Kaffeeküche plaudert es sich beispielsweise meist besser als in einem strukturierten Meeting. Man bekommt einfach mehr voneinander mit – auch was den oder die andere belastet. Wie es den einzelnen Teammitgliedern geht und was sie gerade beschäftigt, kann auch in virtuellen Besprechungen erfragt werden. Wichtig ist, dass diese Gesprächsebene hergestellt wird – egal ob analog oder virtuell.
Solche Warnzeichen gibt es sicher auch für Betroffene?
Heptner: Beschäftigte können ebenso an ihrem Verhalten merken, dass sie Hilfe brauchen, zum Beispiel, wenn sie vermehrt gereizt reagieren. Auf Ebene des Empfindens sind innerliche Leere, dauerhaftes Sich-gestresst-fühlen oder starke innerliche Unruhe Warnzeichen. Wenn Beschäftigte wahrnehmen, dass die Veränderung über Wochen andauert und sie selbst keinen Einfluss nehmen können, ist professioneller Rat sinnvoll.
An wen können sich Betroffene wenden?
Heptner: Größere Firmen bieten oft externe Mitarbeiterberatungen an, die für Beschäftigte niedrigschwellig nutzbar sind. Diese verweisen im Bedarf auch auf weitergehende Angebote und unterstützen bei der Vermittlung, zum Beispiel zur Schuldnerberatung oder zu Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten. Ein Gespräch mit der Vertrauensperson im Betrieb kann auch schon entlastend sein.
Grundsätzlich ist der Hausarzt oder die Hausärztin eine gute Anlaufstelle und kann eine erste Einschätzung zur Symptomatik geben und an Fachstellen verweisen. Mittlerweile bieten auch alle Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten Sprechstunden an, die kurzfristig wahrnehmbar sind und einer ersten Einschätzung und Stabilisierung dienen.
Können Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Personalvertretungen hierbei eine helfende Rolle spielen?
Heptner: Stichwort Gefährdungsbeurteilung: Hier spielen Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Personalvertretungen eine wichtige Rolle – in der Beratung der Führungskräfte beziehungsweise in der Mitgestaltung. Personalvertretungen können bei Wunsch der betroffenen Person auch Gespräche etwa mit der Führungskraft begleiten. Oder im Unternehmen anregen, mittels Schulungen die Führungskräfte für das Thema zu sensibilisieren und ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, um mit der psychisch beeinträchtigten Person ins Gespräch zu kommen.
Frau Heptner, vielen Dank für dieses Interview!