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Mehr Entscheidungsfreiheit am Arbeitsplatz verringert das Risiko für Rückenschmerzen
Nicht nur falsches Sitzen, schlechte Haltung oder starke körperliche Belastungen: Auch psychosoziale Faktoren können zu chronischen Rückenschmerzen führen.
Die Ende 2012 veröffentlichte Studie „Global Burden of Disease Study 2010“ unternahm den bisher umfangreichsten systematischen Versuch, die globale Verteilung (187 Länder) und die Ursachen der hauptsächlich vorkommenden Krankheiten und Verletzungen (291 werden genannt) zu untersuchen. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass sich das Symptom der unspezifischen Schmerzen im unteren Rücken von 1990 bis 2010 in fast allen Regionen der Welt stark erhöht hat und weltweit der Hauptgrund für eine Behinderung ist. Erstaunlicherweise war der Anstieg in den südlich der Sahara liegenden afrikanischen Ländern erheblich weniger stark.
Die Ergebnisse zeigen weiterhin, dass es dieses Symptom schon früher gab, aber die Häufigkeit ebenso massiv zugenommen hat wie die Chronifizierung. Unterer unspezifischer Rückenschmerz, der laut Definition länger als drei Monate anhält, wird als chronische Krankheit betrachtet, bei der eine Ausheilung nicht oder nur sehr selten möglich ist. Die aktuellen Therapien sind daher oft auf ein „Leben mit der Krankheit“ ausgerichtet.
Das Aufwand-/Nutzenverhältnis der schulmedizinischen Maßnahmen ist nicht gut. Die Behandlung verursacht hohe Kosten durch die verordneten Dauer-Schmerzmedikamente, durch teure Abklärungen und Behandlungen beziehungsweise teure chirurgische Verfahren.
Ein Team von Psychologen der TU Dresden hat nun in Zusammenarbeit mit Experten aus den Gesundheitswissenschaften und der Arbeitsmedizin sowie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in einer Meta-Analyse psychosoziale Arbeitsmerkmale identifiziert, die im Zusammenhang mit dem Auftreten von chronischen unteren Rückenschmerzen stehen. So konnte gezeigt werden, dass nicht nur körperliche, sondern auch psychische und soziale Faktoren am Arbeitsplatz zu chronischen Rückenleiden beitragen können.
DAS AUFWAND-/NUTZENVERHÄLTNIS DER SCHULMEDIZINISCHEN MASSNAHMEN IST NICHT GUT.
Weltweit leiden über 23 Prozent der Bevölkerung an chronischen Schmerzen im unteren Rücken (engl.: chronic low back pain, CLBP), damit ist CLBP die am weitesten verbreitete chronische Schmerzerkrankung. Häufig werden die Probleme auch mit dem Arbeitsplatz in Verbindung gebracht, dann meist aber auf körperliche Ursachen wie eine falsche Haltung oder zu langes Sitzen zurückgeführt. In der Meta-Analyse konnte nun gezeigt werden, dass psychosoziale Arbeitsmerkmale wie Arbeitsintensität, Spielräume und Entscheidungsmöglichkeiten sowie soziale Unterstützung bei der Arbeit einen entscheidenden Einfluss auf das Erkrankungsrisiko haben.
Für die Analyse wertete das Forscherteam über 19.000 Datensätze aus 18 Studien aus, die sich mit psychosozialen Arbeitsmerkmalen in Zusammenhang mit CLBP beschäftigen. Die Ergebnisse der umfangreichen Untersuchung waren eindeutig: Menschen mit hoher Arbeitsbelastung leiden häufiger an chronischem Rückschmerz, Arbeitnehmer mit größeren Handlungs- und Entscheidungsspielräumen waren weniger betroffen. Ein weiteres Ergebnis war, dass Rückenschmerzen weniger auftraten, wenn betroffene Menschen am Arbeitsplatz soziale Unterstützung von ihren Vorgesetzten und Kollegen erfuhren.
EIN UMDENKEN BEI DEN ARBEITSBEDINGUNGEN KÖNNTE SO
SCHMERZBEDINGTE KRANKHEITSAUSFÄLLE VERMINDERN.
Diese Daten können nun eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von Präventionsprogrammen liefern. Angesichts der steigenden Belastung und der damit verbundenen hohen Kosten von CLBP für den Einzelnen, für die Arbeitgeber und für die Gesellschaft ergeben sich nach Ansicht der beteiligten Wissenschaftler aus dieser Meta-Analyse wichtige Erkenntnisse für die öffentliche Gesundheit und das Personalmanagement. Ein Umdenken bei den Arbeitsbedingungen könnte so schmerzbedingte Krankheitsausfälle vermindern. „Flexible Pausen, mehr Spielräume beim Einteilen der Arbeit, das alles reduziert die Arbeitsbelastung“, sagt Dr. Denise Dörfel, Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie von der TU Dresden. „Ebenso helfen soziale Unterstützung durch Kollegen sowie mehr Rückmeldung und Anerkennung durch die Vorgesetzten.“
DIE STUDIE
KBuruck, G.; Tomaschek, A.; Wendsche, J. et al.: Psychosocial areas of worklife and chronic low back pain: a systematic review and meta-analysis. BMC Muscu-loskelet Disord 20, 480 (2019). https://doi.org/10.1186/s12891-019-2826-3