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Die schwierige Suche nach dem inklusiven Arbeitsplatz
Unternehmen schrecken häufig davor zurück, Menschen mit Behinderung einzustellen. Dabei gibt es eine Menge Unterstützungsangebote, auf die sie zurückgreifen könnten.
Inklusion bedeutet die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, Behinderung oder anderen Merkmalen. Während der Begriff Integration die größtmögliche Anpassung des Individuums an bestehende Strukturen beschreibt, zielt das Konzept der Inklusion darauf ab, das Recht auf Teilhabe durch die Anpassung ebenjener Strukturen zu gewährleisten. Oder vereinfacht gesagt: Inklusion bedeutet, dass Barrieren abgebaut und Rechtsvorschriften geschaffen werden, damit alle Menschen aktiv an der Gesellschaft teilhaben können. Dies umfasst alle Bereiche wie Bildung, Kultur, Wohnen, Mobilität und natürlich auch Arbeit.
Artikel 27 der 2008 in Kraft getretenen UN-Behindertenrechtskonvention befasst sich mit dem gleichberechtigten Zugang für Menschen mit Behinderung zum Arbeitsmarkt. Die Vertragsstaaten haben sich dazu verpflichtet, verschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um Diskriminierung zu verhindern und den Zugang zu Ausbildung, Berufswahl und Beschäftigung zu erleichtern. Dazu gehört die Anpassung des Arbeitsplatzes an die jeweiligen Bedürfnisse, zum Beispiel durch barrierefreie Ausstattung, sowie finanzielle Unterstützung und Anreize für Arbeitgeber.
Dennoch gestaltet sich die Suche nach einem Arbeitsplatz für Menschen mit Behinderung nach wie vor schwierig. Studien wie das jährlich von der Aktion Mensch veröffentlichte Inklusionsbarometer zeigen, dass die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderung im Vergleich zu Menschen ohne Behinderung fast doppelt so hoch ist. Auch bei der Langzeitarbeitslosigkeit zeigt sich ein ähnlicher Unterschied.
Die mangelnde Bereitschaft von Unternehmen, Menschen mit Behinderung einzustellen, spielt hierbei eine entscheidende Rolle. So sind rund 173.000 Unternehmen in Deutschland dazu verpflichtet, mindestens 5 Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Menschen mit Behinderung zu besetzen, doch nur 40 Prozent kommen dieser Forderung in vollem Umfang nach. 26 Prozent der Unternehmen haben hingegen keinen einzigen Pflichtarbeitsplatz besetzt.
Arbeitgeber scheuen sich häufig vor dem Mehraufwand, den die Einstellung von behinderten Mitarbeitern bedeutet, oder beurteilen den Arbeitsplatz von vornherein als nicht ausreichend barrierefrei. Dabei gibt es Unterstützungsmöglichkeiten, die die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt fördern sollen. Dazu zählt der Eingliederungszuschuss, den Arbeitgeber beantragen können, um längere Einarbeitungszeiten zu überbrücken. Bei der Einstellung einer Person mit Behinderung erhalten sie einen Zuschuss von bis zu 70 Prozent des Arbeitsentgelts. Auch die Kosten einer Probebeschäftigung von bis zu drei Monaten werden unter Umständen von der Bundesagentur für Arbeit oder dem Jobcenter übernommen.
Um ihrer Tätigkeit nachgehen zu können, haben Arbeitnehmer mit Behinderung außerdem Anspruch auf angemessene Vorkehrungen. Zur oben erwähnten Arbeitsplatzausstattung gehört beispielsweise ein barrierefreier Computerarbeitsplatz für sehbehinderte und blinde Menschen. Personen mit Mobilitätseinschränkungen benötigen eventuell spezielle Eingabegeräte oder ergonomische Möbel. In einigen Fällen ist auch der Einsatz einer Arbeitsassistenz eine Option. Sie unterstützt stundenweise im Arbeitsalltag, liest Dokumente vor, hilft bei der Orientierung oder bei einzelnen Handreichungen. Bei der Beantragung und Finanzierung unterstützen ebenfalls die Agentur für Arbeit und die lokalen Inklusionsämter.
Welche Rolle spielt die Ausgleichsabgabe?
Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten müssen mindestens 5 Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen. Erfüllen sie diese Quote nicht, zahlen sie die sogenannte Ausgleichsabgabe, einen monatlichen Betrag pro nicht besetztem Arbeitsplatz. Ein Unternehmen mit mehr als 60 Beschäftigten zahlt beispielsweise 140 Euro, wenn die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung mindestens 3 Prozent, aber weniger als die vorgeschriebenen 5 Prozent beträgt. Unternehmen, die keinen einzigen Menschen mit Behinderung beschäftigen, zahlen bisher 360 Euro pro nicht besetztem Arbeitsplatz. Mit dem Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes, das voraussichtlich im Januar 2024 in Kraft tritt, soll der Betrag auf 720 Euro steigen.
Die Ausgleichsabgabe soll sich auf 720 Euro verdoppeln
Verbände und Initiativen kritisieren, dass Unternehmen sich durch die Zahlung der Ausgleichsabgabe von der Beschäftigungspflicht freikaufen können. Und tatsächlich ist fraglich, ob sich die Arbeitsmarktsituation für Menschen mit Behinderung durch die Erhöhung wirklich verbessern wird. Problematischer ist jedoch, dass Unternehmen sich einen Teil der Ausgleichsabgabe anrechnen lassen können, wenn sie Aufträge an Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) vergeben. Eigentlich sollen von den Abgaben Maßnahmen und Leistungen finanziert werden, die die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben sicherstellen und fördern. Sie kommen also den Betrieben zugute, die die Beschäftigungsquote erfüllen und sich um Inklusion am Arbeitsplatz bemühen.
Digitalisierung als Chance für Menschen mit Behinderung?
Mit der digitalen Transformation auf dem Arbeitsmarkt stellt sich zunehmend die Frage, welche Chancen und Risiken sie für Beschäftigte mit Behinderung bereithält. Gerade für Menschen mit körperlichen Behinderungen kann die aus der Digitalisierung entstehende räumliche Flexibilität eine große Chance bieten. Häufig ist bereits der Arbeitsweg eine Hürde, besonders in Regionen mit schlecht ausgebautem oder nicht barrierefreiem ÖPNV. Die Möglichkeit zur Arbeit im Homeoffice trägt in diesem Fall zum Abbau von Barrieren bei. Auch für neurodiverse Personen kann Remote-Arbeit eine enorme Erleichterung darstellen und die Zufriedenheit am Arbeitsplatz steigern.
Der barrierefreie Zugang zum Arbeitsplatz sollte aber trotzdem nicht vernachlässigt werden. Denn auch Mitarbeiter mit Behinderung wünschen sich persönlichen Austausch.
DIE AUTORIN:
Marie Lampe ist seit ihrem vierten Lebensjahr blind. Sie arbeitet als Social-Media-Redakteurin für die „Sozialheld*innen“. Die Initiative setzt sich seit mehr als 17 Jahren mit zahlreichen Projekten für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in allen Bereichen ein. Die Sozialheld*innen entwickeln Apps wie die Wheelmap, beraten Journalisten und Unternehmen und sensibilisieren für einen Umgang mit Menschen mit Behinderung auf Augenhöhe. Im Projekt JOBinklusive helfen sie verschiedenen Akteuren des allgemeinen Arbeitsmarktes dabei, das Potenzial von Mitarbeitern mit Behinderung wertzuschätzen und eine inklusive Arbeitsplatzkultur zu fördern.
www.sozialhelden.de