UV-Schutz zum Anziehen

In der warmen Jahreszeit ist es ratsam, die Sonne zu meiden. Wenn das nicht geht, bietet lange Kleidung den besten Schutz vor UV-Strahlung. Ein Experiment liefert dazu erstaunliche Ergebnisse, wie Strahlenschutzexpertin Claudine Strehl vom Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) im Interview verrät.

Text: Holger Schmidt (Redaktion)

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) empfehlen bei Arbeiten im Freien lange Arbeitskleidung, um sich vor der UV-Strahlung zu schützen. Warum ist lange Kleidung besser als Sonnencreme?
Claudine Strehl: Angelehnt an das TOP-Prinzip des Arbeitsschutzes – also technische vor organisatorische vor personenbezogene Maßnahmen – hat Kleidung Vorrang vor Sonnenschutzmitteln. Diese Mittel benutzt man nur für Bereiche, die man nicht durch Kleidung oder Kopfbedeckungen schützen kann. Denn Sonnencremes verlieren mit der Zeit ihre Schutzwirkung, da sie sich in erster Linie durch Schwitzen, aber auch durch Reibung abnutzen. Theoretisch müsste man sich also sehr regelmäßig nachcremen, um den Schutz aufrechtzuerhalten, was natürlich umständlich ist. Und auch durch Nachcremen kann die Eigenschutzzeit der Haut nicht beliebig verlängert werden. Ein weiteres Problem ist, dass die meisten Menschen eine zu geringe Menge Sonnencreme verwenden. Bei Kleidung dagegen hat man den angegebenen Schutz über die gesamte Tragedauer.

Was sind die Unterschiede zwischen normaler Arbeitskleidung und UV-Schutzkleidung?
Strehl: Normale Kleidung bietet auch einen gewissen Schutz gegen die Sonneneinstrahlung. UV-Schutzkleidung ist darauf aber von den Herstellern geprüft und mit einem Schutzfaktor ausgewiesen. Allgemein lässt sich sagen: Je dichter das Material und je dunkler die Farbe des Materials, desto besser ist der Schutz. Wobei es natürlich auch leuchtend gelbe oder orangefarbene UV-Schutzkleidung gibt und für bestimmte Tätigkeiten geben muss.

Warum ist es so schwer, die Beschäftigten und auch die Unternehmen beziehungsweise Arbeitgeber von langer Bekleidung zu überzeugen?
Strehl: Vielen Menschen scheint nicht bewusst zu sein, welches Risiko mit der UV-Strahlung verbunden ist. Hautkrebs zeigt sich zum Beispiel meist erst nach Jahren oder gar nach Jahrzehnten der Exposition. Hinzu kommt das Problem der Akzeptanz der langen Kleidung. Häufig argumentieren die Beschäftigten, die bei der Arbeit der Sonne ausgesetzt sind, dass es ihnen darunter zu warm sei und sie mehr schwitzen würden. Wir müssen also deutlich machen, dass auch lange UV-Schutzkleidung für ein gutes Körperklima sorgen kann.

Was auch daran liegt, dass sich die UV-Schutzkleidung in den vergangenen Jahren weiterentwickelt hat.
Strehl: Viele verbinden mit langärmliger Kleidung noch immer Baumwollshirts. Ich würde behaupten: UV-Schutzkleidung, wie sie aktuell auf dem Markt erhältlich ist, haben sie noch nicht ausprobiert. Dabei sind die Textilien inzwischen vergleichbar mit Funktionsshirts, wie wir sie beispielsweise vom Sport kennen. Da wird der Schweiß sehr gut nach außen abtransportiert.

Das IFA war an einem Experiment beteiligt, das die BG Verkehr durchgeführt hat. Dabei haben mehr als 100 Beschäftigte während zweier Sommer Langarmshirts mit UV-Schutz getragen. Was waren die Ergebnisse?
Strehl: Die Kleidungsstücke, die getestet wurden, sind im Hinblick auf Tragekomfort und Körperklima überwiegend positiv bewertet worden. Aber nur etwa die Hälfte der Testpersonen würde weiterhin langärmlige Shirts tragen und ihren Kollegen die UV-Schutzkleidung weiterempfehlen. Das ist für mich erstaunlich und zeigt, wie schwierig es ist, die negative Einstellung zu langer Arbeitskleidung aus den Köpfen zu bekommen.

Sie haben am IFA im Rahmen des Tragetests der BG Verkehr Transmissionsmessungen durchgeführt. Kurz für den Laien erklärt: Was ist das und wie funktioniert das?
Strehl: Transmission bezeichnet die Eigenschaft eines Materials, einfallendes Licht ungehindert passieren zu lassen. Die mögliche Abschwächung des einfallenden Lichts beim Hindurchtreten durch ein Material wird dann als Transmissionsgrad bezeichnet. In unserem Fall haben wir langärmlige UV-Schutzshirts für die Messung zwischen Lichtquelle und Messgerät positioniert. Anschließend haben wir anhand des gemessenen Transmissionsgrads berechnet, wie hoch der UV-Schutzfaktor der untersuchten Kleidungsstücke ist und ob er mit den Angaben der Hersteller übereinstimmt.

Was kam bei den Messungen heraus?
Strehl: Die Angaben waren recht zuverlässig. Nur bei einzelnen Herstellern wurde der Schutzfaktor nicht erreicht – zumindest im Neuzustand. Denn wir haben auch überprüft, wie sich mehrmaliges Waschen auf die Kleidungsstücke auswirkt. Überraschend war, dass sich der UV-Schutzfaktor danach verbessert hatte. Das Gewebe verdichtet sich beim Waschen.

Werden die Ergebnisse im Detail veröffentlicht?
Strehl: Es gibt Überlegungen, eine Art Whitelist für UV-Schutzkleidung zu erstellen. Die Hersteller, die in diesen Katalog aufgenommen werden möchten, könnten dann auf uns zukommen, um ihre UV-Textilien bei uns im Labor prüfen und zertifizieren zu lassen.

Der Tragetest

Die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation (BG Verkehr) hat einen Tragetest durchgeführt. Insgesamt 104 Beschäftigte aus der Binnenschifffahrt, der Entsorgung, der Luftfahrt sowie aus Betrieben der Post- und Paketdienstbranche trugen dafür in den Sommermonaten 2021 und 2022 Langarmshirts mit UV-Schutz. Vor dem Experiment hatten nur zehn Personen lange Arbeitskleidung als Sonnenschutz genutzt, 67 verwendeten Sonnencremes und 19 verzichteten komplett auf Hautschutz. Nach dem Test gaben 55 Personen an, weiterhin langärmlige Shirts tragen zu wollen, 52 würden die UV-Schutzkleidung ihren Kollegen weiterempfehlen. Tragekomfort, Bewegungsfreiheit und das Material spielten für die Probanden eine wesentliche Rolle. Besonders positiv wurde laut BG Verkehr das Hautgefühl bewertet und die Eigenschaft, dass nass geschwitzte UV-Shirts schnell trocknen.