Leitern sicher einsetzen

Normen-Überblick und Tipps für den Gebrauch

Ein paar Akten aus der oberen Schrankebene holen, im Lager das Regal auffüllen oder die kleine Reparatur an der Fassade: Leitern sind zwar ein gefährliches Hilfsmittel, aber aus dem Arbeitsalltag nicht wegzudenken. Um für maximale Arbeitssicherheit zu sorgen, gibt es im Umgang mit Leitern eine ganze Reihe an Vorschriften, die es zu beachten gilt.

Text: Ferdinand Munk

AUF DEN PUNKT

  • Vorschriften zur Benutzung von Sprossen- oder Stufenleiter: Auf den Arbeitsplatz und die Art der Tätigkeit kommt es an
  • Anwender muss selbst auf den stabilen Stand der Leiter achten, Hersteller unterstützen mit Zubehör
  • Jährliche Unterweisung und Sichtkontrolle vor jeder Benutzung sind Pflicht

Was ist bei Leitern genormt?

Für gängige Standardleitern, wie Anlege- und Stehleitern, gilt die EU-Normenreihe DIN EN 131. Die Abschnitte der DIN EN 131-1 bis -3 wurden überarbeitet und gelten seit Januar 2018. Die DIN EN 131-4 wurde an dasselbe Sicherheitsniveau angepasst. Damit gelten die neuen Regelungen auch für alle Ein- und Mehrgelenkleitern wie zum Beispiel Klapp-, Vielzweck- oder vierteilige Teleskopleitern. Die vier Abschnitte der Normenreihe regeln sämtliche Anforderungen, unter anderem Ausführung, Abmessungen, Material, Herstellerprüfungen und Kennzeichnungspflicht. Bei Stufenleitern zum Beispiel müssen die Abstände zwischen den Stufen zwischen 230 und 300 Millimeter groß sein. Bei Sprossenleitern gilt der Bereich von 250 bis 300 Millimeter. Maßtoleranzen von 2 Millimeter sind erlaubt.

Welche Regelungen gelten am Arbeitsplatz?

Werden Leitern beruflich genutzt, kommen die Vorgaben der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und die Technischen Regeln für die Betriebssicherheit (TRBS) zum Tragen. Auch hier gab es eine weitreichende Änderung, denn Ende 2018 sind die verschärften Anforderungen der TRBS 2121 Teil 2 in Kraft getreten. Diese fordern ausdrücklich Stufen als Ersatz für Sprossen, wenn Leitern nicht nur zum Auf- und Abstieg, sondern auch als Arbeitsplatz genutzt werden. Außerdem werden die Zugangshöhe über Leitern sowie die Höhe des Standplatzes für Arbeiten auf Leitern auf maximal fünf Meter beschränkt. Ausnahmen sind nur bei sehr seltenem Zugang oder bei Arbeiten in besonders begründeten Ausnahmefällen möglich, zum Beispiel in engen Schächten oder im Obstbau. Damit sind die verschärften Regeln für alle Branchen und beruflichen Einsatzbereiche relevant. Bei der Neubeschaffung sollten sich Anwender daher explizit nach Leitern umsehen, die den neuen Standards entsprechen, und bestehende Leitern mit passendem Zubehör wie Stufen­modulen oder Einhängetritten nachrüsten.

Wie sorgen die Hersteller für Stand­sicherheit und wann werden Spreiz­sicherungen für Leitern benötigt?

Das ist von Leiterart zu Leiterart unterschiedlich: Stehleitern zum Beispiel verfügen schon allein dank ihrer konischen Bauweise über eine gute Standsicherheit, denn sie sind oben schmaler und unten breiter ausgeführt. Für eine korrekte Aufstellung sind bei ihnen Spreizsicherungen erforderlich. Diese verhindern, dass die Leiterschenkel auseinandergleiten können. Spreizsicherungen können Ketten, Gurte, Plattformheber oder einrastbare Gelenke sein.

Bei Anlegeleitern hat die Verschärfung der DIN EN 131 für mehr Standsicherheit gesorgt. Ist eine Anlegeleiter länger als drei Meter, muss die untere Aufstellfläche breiter ausgeführt sein als die Leiter selbst. Das wird in der Regel mithilfe von Traversen gelöst, die es bei den meisten Herstellern auch als Nachrüstsatz für bereits bestehende Leitern gibt.

Welche Bedeutung hat der Leiterschuh für die Standsicherheit?

Der Leiterschuh ist immens wichtig. Hier gilt aktuell die Zwei-Achsen-Neigungstechnik als neuer Benchmark, denn durch diese Flexibilität des Leiterschuhs wird die vollflächige Bodenauflage perfektioniert. Das sorgt für eine maximale Standsicherheit. Auswechselbare Fußplatten mit Verschleißindikator versprechen außerdem Langlebigkeit und bieten zusätzliche Sicherheit, da der Anwender den Grad der Abnutzung erkennt und die Fußplatte rechtzeitig durch eine neue ersetzen kann. Über das Wechselsystem lassen sich die Leiterschuhe auch sehr leicht an unterschiedliche Untergründe – wie zum Beispiel glatte Böden, Gitterroste oder gewachsenen Untergrund – anpassen. Für letzteren bietet sich eine spezielle Krallen-Fußplatte für den Leiterschuh an.

Was muss generell beim Aufstellen von Leitern beachtet werden?

Eine Leiter muss unbedingt stabil stehen, dafür trägt der Anwender selbst die Verantwortung. Wichtig beim Aufstellen ist deshalb, dass der Untergrund eben, tragfähig, unbeweglich und auch ausreichend groß dimensioniert ist. Gerade im Freien sind die Bedingungen oft nicht ideal, denn der Boden kann zum Beispiel uneben oder auch feucht sein. Wichtig ist dann, das geeignete Zubehör zu verwenden. Holmverlängerungen eignen sich etwa für Bodenabsätze und Treppen, bei gewachsenem Boden helfen Erdspitzen oder Krallenlösungen zur sicheren Verankerung. Auch mit weiterem Zubehör wie Zurrgurten, Dachrinnenhaltern und Leiterkopfsicherungen lassen sich Leitern in besonderen Einsatzbedingungen zusätzlich fixieren. Auch hier gilt natürlich: Der Anwender sollte immer auf die maximale Standsicherheit achten.

Eine Leiter muss stabil stehen. Dafür trägt der Anwender die Verantwortung. Dient die Leiter nicht nur zum Auf- und Abstieg, sondern als Arbeitsplatz, müssen Stufenleitern verwendet werden. Fotos: Munk Group

Bis zu welcher Höhe dürfen Leitern überhaupt begangen werden?

Das hängt von der Leiterart ab und ist für die gewerbliche Nutzung klar geregelt. Ein Tipp: Auf allen tragbaren Leitern sind Sicherheitshinweise angebracht, die neben der Belastungsgrenze und Hinweisen zum korrekten Anstellwinkel auch eine maximal betretbare Stufen- oder Sprossenzahl angeben. Hier gibt es eine ganze Reihe an Unterschieden, wie die folgenden Beispiele belegen: Bei beidseitig begehbaren Stehleitern müssen die oberen beiden Stufen oder Sprossen stets frei bleiben, auf einer einseitig begehbaren Stufenstehleiter darf die obere Plattform dagegen betreten werden – sie ist dafür ausgelegt und hat einen Haltebügel mit mindestens 60 Zentimeter Höhe.

Bei einer dreiteiligen Mehrzweckleiter, die als Stehleiter mit aufgesetzter Schiebeleiter verwendet wird, dürfen die obersten vier Sprossen oder Stufen nicht betreten werden. Bei Anlegeleitern wiederum sind es die obersten drei Sprossen oder Stufen. Und wenn eine Anlegeleiter dazu genutzt wird, um sicher zu einem höher gelegenen Arbeitsplatz zu gelangen, dann muss die Leiter mindestens einen Meter über die Anlegestelle hinausragen – sofern keine anderen Möglichkeiten zum Festhalten vorhanden sind. Eine solche andere Möglichkeit stellen zum Beispiel steckbare Ausstiegsholme dar. Sie sind als Zubehör anklemmbar und können ohne Bohren am Leiterholm befestigt werden.

Was muss beim Kauf hinsichtlich der Größe einer Leiter beachtet werden?

Um einem Fehlkauf vorzubeugen, muss man sich von vornherein über die gewünschte Arbeitshöhe im Klaren sein und dabei beachten, dass Arbeitshöhe nicht gleich Standhöhe ist. Vielmehr gilt die Faustregel, dass man von der Arbeitshöhe zwei Meter abziehen muss, um die ideale Standhöhe zu ermitteln. Eine Beratung im Fachhandel ist empfehlenswert.

Welche Leiterart eignet sich am besten für welches Arbeitsumfeld?

Es kommt letztlich immer darauf an, für welche Zwecke eine Leiter genutzt wird. Wird eine Leiter vor allem innerhalb einer Arbeitsstätte eingesetzt, können einteilige Anlegeleitern ausreichen. Sobald es aber um wechselnde Einsatzorte geht, sind Gelenk-, Mehrzweck-, Teleskop- oder Steckleitern sinnvoller. Diese lassen sich zusammenklappen, -schieben oder -stecken und damit auch einfach auf oder in ein Fahrzeug verladen.

Sprosse oder Stufe?

Sprossenleitern haben ein geringeres Gewicht und sind damit insgesamt handlicher sowie preisgünstiger als Stufenleitern. Sie werden verwendet, wenn es um den Auf- und Abstieg geht. Sind dagegen ein bequemer Stand und hohe Standsicherheit wichtig, kommen Stufen- oder Plattformleitern zum Einsatz. Nach den verschärften Anforderungen der TRBS 2121 Teil 2 scheiden Sprossenleitern außerdem aus, wenn man die Leiter nicht nur zum Auf- und Abstieg, sondern auch als Arbeitsplatz nutzt. Hier ist die Stufenleiter also erste Wahl.

Welche Rolle spielt das Material beim Leiterkauf?

Der Einsatzzweck bestimmt auch das Material. Wer zum Beispiel mit Strom zu tun hat, arbeitet am sichersten auf Kunststoffleitern. Diese haben sich gerade auch in Bereichen bewährt, in denen aggressive Stoffe wie Säuren und Laugen verarbeitet werden. Holz- und Stahlleitern wiederum sind sehr robust und kommen deshalb bevorzugt auf Baustellen oder in Lager- und Maschinenhallen zum Einsatz. Aluminiumleitern zeichnen sich vor allem durch ihr geringes Gewicht aus. Deshalb sind sie immer dann die beste Wahl, wenn der Einsatzort häufig wechselt. Sie punkten insbesondere bei Arbeiten im Außenbereich mit ihrer Wetterbeständigkeit und der langen Lebensdauer.

Auf welche Verschleißteile muss der Anwender besonders achtgeben?

Vor allem beim Transport kann es hin und wieder zu Schäden kommen. Auch eine intensive, langjährige Nutzung hinterlässt ihre Spuren. Vor allem Verschleißteile wie Gelenke, Scharniere und Federrollen, aber auch Leiterschuhe und Abhebesicherungen werden je nach Einsatzbereich und Nutzungshäufigkeit stärker beansprucht und sind dann bei entsprechender Abnutzung durch Originalteile zu ersetzen.

Wie wird optimale Trittsicherheit auf Leitern gewährleistet?

Hersteller, die Wert auf Arbeitssicherheit legen, bieten Beläge für Sprossenleitern und Trittauflagen für Stufenleitern an, die ­unterschiedliche Grade der Rutschhemmung erfüllen. Welcher Belag sich dafür am besten eignet, hängt von der jeweiligen Arbeitsumgebung ab. So gibt es Beläge und Trittauflagen, die sogar den strengen Vorgaben der Bewertungsgruppe R13 entsprechen und somit auch in nassen, staubigen und ölverschmierten Arbeitsbereichen für einen sicheren Tritt und Stand auf der Leiter sorgen. Für ein Plus an Komfort sorgen zudem Auflagen, bei denen der vordere Rand der Leiterstufe gepolstert ist. Das macht das Anlehnen an der nächsten Stufe für den Anwender deutlich angenehmer.

Welche Pflichten haben Unternehmen, deren Mitarbeiter Leitern benutzen?

Im gewerblichen Umfeld dienen Leitern offiziell als „Arbeitsmittel“ und in der BetrSichV ist unter anderem auch klar vorgeschrieben, dass der Arbeitgeber seine Beschäftigten einmal jährlich im Gebrauch von Leitern unterweisen und dies auch entsprechend dokumentieren muss. Die im August 2022 überarbeitete und auf die neuesten Normen und Regelwerke aktualisierte DGUV Information 208-016 mit dem Titel „Die Verwendung von Leitern und Tritten“ richtet sich an alle Unternehmer, die tragbare Leitern und Tritte für ihre Beschäftigten zur Verfügung stellen oder selbst verwenden. Verständlich zusammengefasst sind hier Hinweise zu den Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG), der BetrSichV, zu den Vorschriften und Regeln der Unfallversicherungsträger sowie einschlägigen Normen.

Wie oft müssen Leitern eigentlich geprüft werden und worauf kommt es bei der Leiterprüfung an?

Um die Unfallgefahr zu minimieren, müssen Leitern im beruflichen Umfeld vor jeder Nutzung einer Sichtkontrolle unterzogen werden. Diese Sichtprüfung empfiehlt sich natürlich auch für die private Nutzung. Im beruflichen Umfeld muss jede Leiter wiederkehrend detailliert geprüft werden. Es wird empfohlen, diese Prüfung mindestens einmal jährlich durchzuführen – und zwar durch eine zur Prüfung befähigte Person mit entsprechender Kompetenz. Das Zertifikat „Zur Prüfung befähigte Person für Leitern und Tritte“ kann bei eintägigen Fortbildungen erworben werden. Bereits in der Bedienungsanleitung einer Leiter müssen die Hersteller alle Bauteile aufführen, die regelmäßig geprüft werden müssen. Die namhaften Qualitätshersteller stellen außerdem als Service Kontrollblätter für die Leiterprüfungen zur Verfügung – auch zum Download.

Worauf kommt es bei der Pflege von Leitern an?

Leitern müssen regelmäßig gereinigt und geschmiert werden. Dabei dürfen keine lösemittelhaltigen Reinigungsmittel verwendet werden. Starke Verschmutzungen können mit warmem Wasser und handelsüblichen Putzmitteln behandelt und anschließend mit einem sauberen Tuch abgetrocknet werden. Bewegliche Teile wie Scharniere, Federbolzen und Abhebesicherungen sind mit handelsüblichem Sprühfett zu schmieren. Wichtig dabei: Schmutz wie Öl und Fett muss umgehend zum Beispiel mit Spiritus entfernt werden. Holzleitern dürfen übrigens nicht mit undurchsichtigen und wasserdampfdichten Anstrichen behandelt werden.

DER AUTOR:

Ferdinand Munk ist Inhaber und Geschäftsführer der Munk Group, die mit ihren innovativen Steigtechnik-Lösungen für Arbeitssicherheit sorgt. Er ist außerdem Mitglied in Normenausschüssen des Deutschen Instituts für Normung e. V. (DIN) und des Europäischen Komitees für Normung (CEN). www.munk-group.com/de