Abschied von alten Freunden

Leitern und Tritte

Aus Sicht des Arbeitsschutzes sind Leitern und Tritte keine sonderlich gern gesehenen Arbeitsmittel. Noch immer führt deren Benutzung zu vielen Arbeitsunfällen.

Text: Franz Roiderer (Redaktion)

AUF DEN PUNKT

  • Leitern sind für ein Drittel aller Absturzunfälle verantwortlich
  • Sicherer sind alternative Arbeitsmittel wie Hubarbeitsbühnen oder Gerüste
  • Das Wissen um sachgerechte Verwendung von Leitern ist gering, daher sind Unterweisungen nötig

Im Jahr 2022 waren rund 35.000 Absturzunfälle zu verzeichnen, in 31,1 Prozent der Fälle (rund 11.000 Unfälle) erfolgte der Absturz von einer Leiter oder einer Trittleiter. Die Hauptursachen sind das Abrutschen von den Sprossen, das Wegrutschen der Leiter und Gleichgewichtsverlust. Selbst wenn der Absturz nur aus einer geringen Höhe erfolgt, drohen schwere Kopf- und Halsverletzungen. Sieben Beschäftigte sind 2022 dabei ums Leben gekommen, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) verzeichnete im selben Zeitraum rund 845 neue Unfallrenten im Zusammenhang mit Leiterunfällen.

Leitern sind nicht zuletzt deshalb kein sicheres Arbeitsmittel, weil viele Beschäftigte die Standsicherheit überschätzen. „Sie können schneller rutschen oder kippen, als man denkt – das wird meist durch das Gewicht des Menschen verursacht“, sagt Achim Fachbach, Spezialist für Leitern und Gerüste im Referat Hochbau der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU), im Interview mit der Bundesarbeitsgemeinschaft für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (Basi). „Zahlreiche Unfälle entstehen dadurch, dass jemand in der Höhe das Gleichgewicht verliert. Nicht selten rutschen Menschen darüber hinaus von den Sprossen ab. Das passiert zum Beispiel, wenn sie mit feuchten Schuhen in die Höhe klettern.

Andere Arbeitsmittel haben Vorrang

Dass Leitern von der gesetzlichen Unfallversicherung kritisch gesehen werden, zeigt auch der Blick in die DGUV Vorschrift 38 „Bauarbeiten“ (§ 8 Abs. 7): „Der Unternehmer hat sicherzustellen, dass in der Gefährdungsbeurteilung die Verwendung einer Leiter als Arbeitsplatz oder als Verkehrsweg unter Berücksichtigung der Gefährdung, der Dauer der Verwendung und der vorhandenen baulichen Gegebenheiten begründet wird. Dabei ist zu beachten, dass die Verwendung anderer sichererer Arbeitsmittel Vorrang vor der Verwendung von Leitern hat.“

Das heißt im Klartext, dass Leitern keine sicheren Arbeitsmittel sind und in jedem Fall geprüft werden muss, ob alternative Arbeitsmittel eingesetzt werden können. Nur wenn dies nicht der Fall ist, dürfen Leitern verwendet werden. Die Ablehnung der Leiter als Arbeitsmittel geht so weit, dass die BG BAU unter dem Titel „Ausgeleitert – Leitern, ein Auslaufmodell“ den Ersatz von Leitern durch Hubarbeitsbühnen, Plattform- oder Podestleitern mit Arbeitsschutzprämien unterstützt.

Die Autoren des Textes resümieren: „Heute, im Zeitalter der Digitalisierung, in der Leitern vor allem die Unfallstatistiken der Baubranche hochgehen lassen, läuft ihre Zeit als Verkehrsweg und Arbeitsplatz nach und nach ab.“ Denn auch Dachflächen und andere hoch gelegene Arbeitsplätze, die nur über Leitern erreichbar sind, müssen heute zur Inspektion oder Auftragsschätzung nicht mehr zwangsläufig begangen werden. Für diese Aufgaben seien Drohnen prädestiniert.

Regeln für den Einsatz von Leitern

Im Gegensatz zu Hubarbeitsbühnen, Gerüsten etc. sind Leitern also immer nur zweite Wahl. Wenn in der Gefährdungsbeurteilung jedoch festgestellt wurde, dass in speziellen Fällen auf Leitern nicht verzichtet werden kann, gibt es klare Regeln für deren Einsatz.

Die DGUV Vorschrift 38 schreibt beispielsweise vor, dass sie bei Bauarbeiten nur verwendet werden dürfen, wenn die Standhöhe nicht mehr als 2,00 Meter beträgt, und bei einer Standhöhe von mehr als 2,00 Metern und bis zu 5,00 Metern nur zeitweilige Arbeiten ausgeführt werden. Als Arbeitsplatz dürfen Leitern nur dann genutzt werden, wenn der Beschäftigte mit beiden Füßen auf der Stufe stehen kann.

Achim Fachbach von der BG BAU empfiehlt da­rüber hinaus Unterweisungen für die Beschäftigten, wenn der Leitereinsatz unvermeidbar ist: „Jeder meint, er könne ohne Absturzsicherung einfach hochklettern.“ Dabei sei das Wissen über die sichere Verwendung nicht sehr verbreitet. Kaum jemand kennt den richtigen Winkel, mit dem die Leiter angelegt werden sollte, damit sie nicht wegrutscht. „Und wer berücksichtigt, dass die obersten zwei Stufen nicht betreten werden sollten – oder dass es gefährlich ist, sich seitlich herauszulehnen, wenn man sich auf der Leiter befindet?“, fragt der Experte. All dies muss Teil einer Unterweisung sein, die der Unternehmer entweder selbst in die Hand nimmt – oder beispielsweise eine geschulte Fachkraft für Arbeitssicherheit.

Bild: Das 5-Punkte-Programm der BG BAU gegen Leiterunfälle