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Fach- und Sachkunde im Arbeitsschutz
Eine umfassende Betrachtung
Im dynamischen und komplexen Feld des Arbeitsschutzes stellen die Begriffe „Fachkunde“ und „Sachkunde“ fundamentale Säulen dar. Aber selbst in Fachkreisen werden sie nicht immer korrekt verwendet.
Text: Markus Tischendorf und Donato Muro
AUF DEN PUNKT
- Fachkunde deckt sich weitgehend mit den Anforderungen, wie sie sich aus staatlichen Gesetzen und Verordnungen ergeben
- Sachkunde beschreibt die geforderte Qualifikation des Sachkundigen
- Der Sachkundige steht teilweise in Konkurrenz zur „befähigten Person“ nach der Betriebssicherheitsverordnung – ein einheitlicher Sprachgebrauch wäre zu begrüßen
„Fachkunde“ und „Sachkunde“ bilden das Herzstück zahlreicher rechtlicher Rahmenbedingungen, die darauf abzielen, ein Höchstmaß an Sicherheit und Gesundheitsschutz für Beschäftigte in verschiedenen Arbeitsumgebungen zu gewährleisten. Die Konzepte, die den Begriffen zugrunde liegen, sind nicht nur in der Theorie von zentraler Bedeutung, sondern spielen auch in der täglichen Praxis eine entscheidende Rolle. Sie beeinflussen maßgeblich die Art und Weise, wie Sicherheitsmaßnahmen in Unternehmen und Organisationen umgesetzt, überwacht und bewertet werden.
Die Relevanz dieser Konzepte findet sich in einer Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien. Von der korrekten Anwendung dieser Begriffe hängt nicht nur die rechtliche Konformität eines Unternehmens ab, sondern auch das Wohlergehen und die Sicherheit der Mitarbeiter. In diesem Artikel wird eine umfassende und detaillierte Betrachtung der Begriffe Fach- und Sachkunde vorgenommen. Dabei wird auf ihre rechtlichen Grundlagen, Anwendungsbereiche und die damit verbundenen Verantwortlichkeiten im Kontext des Arbeitsschutzes eingegangen. Ziel ist es, ein klares und tiefgreifendes Verständnis dieser Schlüsselkonzepte zu vermitteln und ihre Bedeutung für die Praxis des Arbeitsschutzes herauszustellen.
Fachkunde im Arbeitsschutz
In der deutschen Arbeitsschutzlandschaft ist die Definition von Fachkunde in verschiedenen Verordnungen zentral. Sie richtet sich nach der spezifischen Art der Aufgabe und der damit verbundenen Gefährdung. Fachkundige Personen müssen über die nötigen Fachkenntnisse verfügen, die durch Berufsausbildung, Berufserfahrung und regelmäßige Schulungen erworben und aufrechterhalten werden. Diese Anforderungen variieren je nach Verordnung, beispielsweise in der Biostoffverordnung, wo die Höhe der Gefährdung eine Rolle spielt, oder im Strahlenschutz, wo spezifische Prüfungen und Zertifizierungen erforderlich sind. Insgesamt gewährleistet das Konzept der Fachkunde, dass qualifizierte Fachkräfte die für den Arbeitsschutz relevanten Aufgaben übernehmen, was maßgeblich zur Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz beiträgt.
- Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV): Fachkundig ist, wer über die nötigen Fachkenntnisse für bestimmte Aufgaben der Verordnung verfügt. Die Anforderungen umfassen eine entsprechende Berufsausbildung, Berufserfahrung oder eine zeitnah ausgeübte berufliche Tätigkeit, ergänzt durch aktuelle Schulungen.
- Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV): Ähnlich wie in der BetrSichV definiert, beinhaltet Fachkunde die notwendigen Fachkenntnisse, abhängig von der jeweiligen Aufgabe, und setzt eine Berufsausbildung, -erfahrung und regelmäßige Schulungen voraus.
- Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV): Hier bezieht sich Fachkunde auf die Mitglieder des Ausschusses für Arbeitsmedizin, die Vertreter verschiedener Bereiche (Arbeitgeber, Gewerkschaften, Wissenschaft etc.) umfassen.
- Biostoffverordnung (BioStoffV): Fachkundig ist, wer für bestimmte Aufgaben der Verordnung befähigt ist, wobei die Anforderungen von der Art der Aufgabe und der Höhe der Gefährdung abhängen. Erforderlich sind eine geeignete Berufsausbildung und berufliche Tätigkeit.
- Arbeitsschutzverordnungen (EMFV, GefStoffV, LärmVibrationsArbSchV, OStrV): Fachkunde setzt die erforderlichen Fachkenntnisse für bestimmte Aufgaben voraus und beinhaltet eine Berufsausbildung, Berufserfahrung, spezifische Fortbildungen und eine einschlägige berufliche Tätigkeit.
- Strahlenschutz (StrlSchG, StrlSchV): Fachkunde im Strahlenschutz ist spezifisch für Medizinphysik-Experten, Teleradiologen sowie Strahlenschutzbeauftragte und wird durch Prüfung und Bescheinigung der zuständigen Stelle bestätigt.
- Abwasserverordnung (AbwV): Fachkunde ist gleichgestellt mit gleichwertiger Ausbildung oder Fachkunde, die in der EU oder im EWR erlangt wurde.
Sachkunde im Arbeitsschutz
Die Sachkunde im Arbeitsschutz umfasst spezifische Kompetenzen zur Überprüfung und Einhaltung von Schutzvorschriften in verschiedenen Arbeitsumgebungen. Sie wird durch Regelungen in der GefStoffV und in Technischen Regeln wie den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) definiert. Sachkunde, insbesondere im Umgang mit Gefahrstoffen wie Asbest, setzt voraus, dass eine Person bereits über grundlegende Fachkenntnisse und praktische Erfahrung verfügt.
Um sachkundig im Arbeitsschutz anerkannt zu werden, muss eine Person ihre Fachkundigkeit durch die Teilnahme an speziellen, behördlich anerkannten Lehrgängen erweitern. Diese Lehrgänge enden häufig mit einer Prüfung, deren Bestehen den Erwerb der Sachkunde bestätigt. Die Inhalte dieser Kurse sind speziell auf bestimmte Gefahrstoffe, Arbeitssicherheitsverfahren oder Schutzmaßnahmen zugeschnitten und dienen dazu, vertieftes Wissen und spezifische Fähigkeiten zu vermitteln.
Die GefStoffV definiert Sachkundige als Personen, die ihre vorhandene Fachkunde durch anerkannte Lehrgänge erweitert haben. Je nach Aufgabengebiet kann auch der Abschluss einer Prüfung erforderlich sein. Zudem können Qualifikationen, die von der zuständigen Behörde als gleichwertig anerkannt sind, als Nachweis der Sachkunde dienen.
Zur Prüfung befähigte Personen im Arbeitsschutz
Im deutschen Arbeitsschutzrecht wird die Rolle der „zur Prüfung befähigten Person“ in der BetrSichV. Gemäß § 2 Abs. 6 der BetrSichV ist eine Person zur Prüfung befähigt, wenn sie durch ihre Berufsausbildung, Berufserfahrung und aktuelle berufliche Tätigkeit die notwendigen Kenntnisse für die Prüfung von Arbeitsmitteln besitzt. Diese Anforderungen stellen sicher, dass Personen, die Arbeitsmittel prüfen, angemessen qualifiziert sind, um deren Sicherheit und Funktionsfähigkeit zu bewerten.
Darüber hinaus stellt die BetrSichV in spezifischen Bereichen wie dem Umgang mit Explosionsgefährdungen (Anhang 2 Abschnitt 3 Nr. 3) oder Druckanlagen (Anhang 2 Abschnitt 4 Nr. 3) erhöhte Anforderungen an die zur Prüfung befähigte Person. Diese spezialisierten Kenntnisse gewährleisten, dass Prüfungen in diesen sensiblen Bereichen mit dem notwendigen Fachwissen durchgeführt werden.
Die BetrSichV unterscheidet klar zwischen „fachkundigen Personen“ und „zur Prüfung befähigten Personen“. Während „fachkundige Personen“ durch ihre Ausbildung, Erfahrung und regelmäßige Fortbildung qualifiziert sind, bezieht sich die „Befähigung zur Prüfung“ auf spezifische Kenntnisse, die für die Prüfung von Arbeitsmitteln erforderlich sind.
Zusätzlich gibt die Technische Regel für Betriebssicherheit 1203 (TRBS 1203) detaillierte Hinweise zu den spezifischen Fachkenntnissen und Qualifikationen, die für die Prüfung verschiedener Arten von Arbeitsmitteln erforderlich sind. Sie deckt eine breite Palette von Anforderungen ab und bietet Orientierung für die Prüfung von Arbeitsmitteln in unterschiedlichen Gefährdungsbereichen.
So verwendet die DGUV die Begriffe „Fachkunde“ und „Sachkunde“
Die Träger der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) erlassen Rechtsnormen, zu denen auch die Unfallverhütungsvorschriften gehören, die für die jeweiligen Mitgliedsunternehmen bzw. deren Versicherte erlassen werden. Sie werden als autonomes Recht bezeichnet und sind in ihrem jeweiligen Geltungsbereich rechtsverbindlich.
Erläuterungen zur Fachkunde (inklusive Beispielen)
Die Fachkunde spielt im Arbeits- und Gesundheitsschutz eine entscheidende Rolle, wie aus einigen Unfallverhütungsvorschriften hervorgeht. Beispielhaft sei hier die Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (DGUV Vorschrift 1) genannt. In § 13 der DGUV Vorschrift 1 wird im Zusammenhang mit der Pflichtenübertragung auf die erforderliche Fachkunde hingewiesen: „Der Unternehmer kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich beauftragen, ihm nach Unfallverhütungsvorschriften obliegende Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen“.
Zuverlässig sind die für die Pflichtenübertragung vorgesehenen Personen, wenn zu erwarten ist, dass sie die Aufgaben des Arbeitsschutzes mit der erforderlichen Sorgfalt wahrnehmen. Fachkundig sind die für die Pflichtenübertragung vorgesehenen Personen, wenn sie über die erforderlichen Fachkenntnisse und praktischen Erfahrungen verfügen, um die ihnen obliegenden Aufgaben sachgerecht wahrnehmen zu können. Fachkundige Personen können beispielsweise Betriebs- und Verwaltungsleiter, Abteilungsleiter, Prokuristen, Objektleiter, Bauleiter, Poliere, Vorarbeiter oder Schichtführer sein.
Ein weiteres Beispiel für die Bedeutung der Fachkunde findet sich in der Unfallverhütungsvorschrift „Bauarbeiten“ (DGUV Vorschrift 38). Diese fordert in § 3, Abs.1 vom Arbeitgeber, dass Bauarbeiten nur von Personen geleitet werden dürfen, die die erforderliche Fachkunde besitzen: „Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass Bauarbeiten von weisungsbefugten und fachkundigen Vorgesetzten geleitet werden. Diese Vorgesetzten haben dafür zu sorgen, dass bei der Ausführung der Bauarbeiten die Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften eingehalten und Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit der Versicherten möglichst gering gehalten werden.“
Die Anforderungen an die Fachkunde richten sich nach der Art der Aufgabe. Zu den Anforderungen gehören eine entsprechende Berufsausbildung, Berufserfahrung oder eine entsprechende zeitnahe berufliche Tätigkeit. Durch die Teilnahme an Schulungen (spezifische Fortbildungsmaßnahmen) kann die vorhandene Fachkunde auf dem aktuellen Stand gehalten werden.
Erläuterungen zur Sachkunde
In Abgrenzung zum Begriff der Fachkunde wird im Regelwerk der Unfallversicherungsträger seit vielen Jahren der Begriff der Sachkunde verwendet. Der Sachkundige wird im Zusammenhang mit der Prüfung von Arbeitsmitteln gefordert, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Die Unfallverhütungsvorschrift „Krane“ (DGUV Vorschrift 53) schreibt in § 26, Abs. 1 wiederkehrende Kranprüfungen vor: „Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass Krane entsprechend den Einsatzbedingungen und den betrieblichen Verhältnissen nach Bedarf, mindestens jedoch einmal jährlich, durch einen Sachkundigen geprüft werden. Dabei sind die Prüfhinweise des Herstellers in der Betriebsanleitung zu beachten.“
Weitere Erläuterungen sind in der zugehörigen Durchführungsanweisung zu finden: Sachkundiger ist, wer aufgrund seiner fachlichen Ausbildung und Erfahrung ausreichende Kenntnisse auf dem Gebiet der Krane hat und mit den einschlägigen staatlichen Arbeitsschutzvorschriften, Unfallverhütungsvorschriften, Richtlinien und allgemein anerkannten Regeln der Technik (z. B. DIN-Normen, VDE-Bestimmungen, technische Regeln anderer Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum) soweit vertraut ist, dass er den arbeitssicheren Zustand von Kranen beurteilen kann.
Als Sachkundige können zum Beispiel Betriebsingenieure, Maschinenmeister, Kranmeister oder besonders geschultes Fachpersonal für die Prüfung herangezogen werden, sofern sie über ausreichende Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, um den sicheren Zustand des zu prüfenden Krans beurteilen zu können.
Eine vergleichbare Regelung findet sich beispielsweise in § 37, Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift „Flurförderzeuge“ (DGUV Vorschrift 68): „Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass Flurförderzeuge, ihre Anbaugeräte sowie die nach dieser Unfallverhütungsvorschrift erforderlichen Sicherheitseinrichtungen für den Betrieb von Flurförderzeugen in Schmalgängen in Abständen von längstens einem Jahr durch einen Sachkundigen geprüft werden.“ Dies gilt auch für Anbaugeräte, die nicht fester Bestandteil des Flurförderzeugs sind.
Sachkundiger ist daher, wer aufgrund seiner fachlichen Ausbildung und Erfahrung ausreichende Kenntnisse auf dem Gebiet der Flurförderzeuge hat und mit den einschlägigen Regelwerken soweit vertraut ist, dass er den arbeitssicheren Zustand von Flurförderzeugen beurteilen kann.
Experten, die sich auf die Prüfung persönlicher Schutzausrüstungen gegen Absturz (PSAgA) spezialisiert haben, werden gemäß dem DGUV Grundsatz 312-906 als sachkundig eingestuft. Diese Qualifikation erfordert nicht nur den erfolgreichen Abschluss eines entsprechenden Kurses, sondern baut auch auf bereits vorhandener Fachkenntnis auf. Eine sachkundige Person im Sinne dieses Grundsatzes zeichnet sich durch eine Kombination aus fachlicher Ausbildung und Erfahrung aus. Sie verfügt über umfassende Kenntnisse in Bezug auf persönliche Absturzschutzausrüstungen und deren fachgerechte Anwendung.
Darüber hinaus ist die sachkundige Person mit den relevanten staatlichen Arbeitsschutzvorschriften, den Regelungen der DGUV, sowie mit spezifischen Bestimmungen einzelner Fachbereiche vertraut. Dazu zählen anerkannte Lehrmeinungen der Fachverbände sowie allgemein anerkannte Regeln der Technik, einschließlich der DIN-EN-Normen und DIN-Normen. Diese Expertise befähigt sie dazu, den ordnungsgemäßen Zustand von persönlichen Absturzschutzausrüstungen fachgerecht zu prüfen und zu beurteilen.
Zusammenfassung
Die Begriffe Fachkunde und Sachkunde werden im Geltungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherungsträger bewusst und in einem jeweils konkreten Zusammenhang verwendet. Dabei deckt sich die Fachkunde weitgehend mit den Anforderungen, wie sie sich aus staatlichen Gesetzen und Verordnungen ergeben. Es wird ausdrücklich darauf abgezielt, dass die erforderliche Fachkunde einschlägiges Fachwissen und praktische Erfahrung umfasst.
Der Begriff Sachkunde beschreibt die geforderte Qualifikation des Sachkundigen. Sachkundige im Sinne der Unfallversicherungsträger sind Personen, die wegen ihrer fachlichen Ausbildung und Erfahrung den arbeitssicheren Zustand eines Prüfobjekts beurteilen können. Eine aktuelle Vorschriften- und Normenkunde ist dafür unverzichtbar.
Der Sachkundige steht damit teilweise in Konkurrenz zur „befähigten Person“ nach der BetrSichV. Auch wenn die Verpflichtungen der genannten Personen nicht vollständig identisch sind, wird in der Praxis häufig noch von der sogenannten UVV-Jahresprüfung geredet. Ein einheitlicher Sprachgebrauch hinsichtlich der Prüfung von Arbeitsmitteln wäre aus der Sicht der Verfasser zu begrüßen.
DIE AUTOREN:
Diplom-Ingenieur Markus Tischendorf arbeitet als Berater und Fachjournalist. Er ist außerdem als Aufsichtsperson für die Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) tätig. tischendorf.markus@t-online.de
Naturwissenschaftler, Ingenieur, Jurist und Arbeitspsychologe – Donato Muro bringt eine Vielzahl von Qualifikationen mit. Er möchte den Arbeitsschutz so einfach und verständlich wie möglich vermitteln, um rechtssicheres Handeln aufseiten der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu fördern. www.sicherheitsingenieur.nrw