Medikamente am Arbeitsplatz

Medikamente haben einerseits erwünschte Wirkungen, anderseits können unerwünschte Nebenwirkungen die Arbeitsleistung beeinträchtigen oder sogar Probleme bei der Arbeitssicherheit hervorrufen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen sich darauf einstellen.

Text: Redaktion PRÄVENTION AKTUELL

Mitarbeiter können aus verschiedenen Gründen auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen sein. Es können chronische Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes, Bluthochdruck oder Herzprobleme vorliegen, die eine regelmäßige vom Arzt verordnete Medikamenteneinnahme erfordern. Dabei ist es wichtig, dass der Arbeitnehmer seine medizinischen Bedürfnisse versteht und die nötigen Schritte unternimmt, um Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten.

Nach § 15 der DGUV Vorschrift 1 dürfen die Beschäftigten sich nicht durch Drogen, Alkohol oder Medikamente „in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können“. Hier wird eine klare Verpflichtung ausgesprochen, denn viele Arzneimittel – mit oder ohne Rezept – können auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das Reaktionsvermögen im Straßenverkehr oder die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigen. Wer entsprechende Warnhinweise nicht beachtet, gefährdet sich und andere. Wichtige Arzneimittelgruppen, bei denen Vorsicht geboten ist, sind unter anderem:

  • Antiallergika
  • Aufputschmittel und Stimulanzien
  • Psychopharmaka wie beispielsweise Antidepressiva und Neuroleptika
  • Medikamente mit Alkohol
  • Schlaf- und Beruhigungsmittel
  • Schmerzmittel

Besondere Vorsicht gilt bei gleichzeitiger Einnahme mehrerer Medikamente. Beschäftigte müssen die in der Gebrauchsinformation ihres Medikaments aufgeführten Warnhinweise zum Reaktionsvermögen und zur Konzentrationsfähigkeit beachten. Bei opiathaltigen Schmerzmitteln, verschiedenen Antidepressiva und Antiepileptika wird im Beipackzettel darauf hingewiesen, dass in den ersten Wochen auf das Autofahren verzichtet werden sollte. Dieselbe Vorsicht sollte gelten bei der Bedienung von Maschinen und bei Kontrolltätigkeiten, beispielsweise der Arbeit in einer Messwarte.

Viele Beschäftigte sind – je nach individueller Medikation und resultierender Reaktion – nach der medikamentösen Einstellungsphase von circa 14 Tagen wieder voll ­insetzbar (Ausnahme: Benzodiazepine). Die Entscheidung darüber bedarf jedoch einer sorgfältigen ärztlichen Überprüfung durch den behandelnden Arzt und ­gegebenenfalls durch den Betriebsarzt.

Unternehmerverantwortung

Der Unternehmer darf gemäß § 7 DGUV Vorschrift 1 Beschäftigte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beauftragen.

Hat der Unternehmer oder eine Führungskraft den Eindruck, dass der Beschäftigte seine Arbeit unter Medikamenteneinfluss nur unzureichend ausführen kann, sollte er im Zweifel hausärztlichen Rat (ein Attest, das die Einsatzfähigkeit bestätigt) einholen und/oder den Betriebsarzt kontaktieren. Sollte sich der Beschäftigte einer ärztlichen Untersuchung verweigern, muss der Führungsverantwortliche selbst entscheiden, ob der Mitarbeiter eine Arbeit erledigen kann oder nicht.

Zur Fürsorgepflicht des Unternehmers gehört es in solchen Fällen auch, den Mitarbeiter auf die Folgen seiner Medikation anzusprechen. So kann gemeinsam nach Lösungen gesucht werden. Je früher diese Ansprache erfolgt, desto größer sind die Erfolgsaussichten für positive Verhaltensänderungen des Mitarbeiters.

Medikamentenmissbrauch und -abhängigkeit

In Deutschland sind zurzeit rund 50.000 verschiedene Arzneimittel im ­Handel. Von allen verordneten Medikamenten haben etwa fünf bis sechs Prozent ein eigenes Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) geht davon aus, dass in Deutschland etwa 1,5 Prozent der Bevölkerung medikamentenabhängig sind. In etwa 75 Prozent der Fälle handelt es sich dabei um eine Beruhigungsmittelabhängigkeit vom Benzodiazepin-Typ, in 25 Prozent der Fälle liegt eine Schmerzmittelabhängigkeit vor.

Dieses Thema wurde und wird bei der betrieblichen Suchtprävention bislang vernachlässigt. Ein Grund hierfür liegt darin, dass Probleme im Umgang mit Medikamenten schwieriger festzustellen und zu handhaben sind als Alkoholprobleme. Entsprechend gibt es bislang vergleichsweise wenige konkrete Daten zum Ausmaß von Medikamentenproblemen am Arbeitsplatz.

Für Außenstehende ist die Abgrenzung zwischen einem sachgerechten Gebrauch und einem schädlichen Gebrauch schwierig. Anders als bei Alkoholgebrauch im Arbeitsalltag, der sich durch die bekannte „Fahne“ leicht identifizieren lässt, sind die Anzeichen für den Gebrauch oder eine Abhängigkeit von Schlaf- und Beruhigungsmitteln meist nicht so eindeutig zuzuordnen.


Literatur
DGUV Information 206-009 „Suchtprävention in der Arbeitswelt“, publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/1268
BKK Bundesverband, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (Hrsg.): Schlaf- und Beruhigungsmittel am Arbeitsplatz – Informationen und Hilfen für betriebliche Multiplikatoren, www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Broschueren/schlaf-_und_beruhigungsmittel_am_arbeitsplatz.pdf