Systemrelevant – aber auch gut geschützt?

Saisonarbeiter

Hunderttausende Menschen aus dem Ausland helfen jedes Jahr bei der Ernte in Deutschland – unter oft schwierigen Bedingungen. Welche Belastungen Saisonarbeiter tragen und wie Arbeitsschutz gelingen kann, zeigt ein Blick in die Landwirtschaft.

Text: Holger Toth (Redaktion)*

AUF DEN PUNKT:

  • Hitze und körperliche Belastung sind die größten Gefährdungen für Saisonarbeiter
  • Sprachbarrieren erschweren Unterweisungen
  • Digitale Tools, muttersprachliche Beratung und Gesundheitstage sind wirksame Instrumente

Ohne Saisonarbeiter aus dem Ausland geht in der deutschen Landwirtschaft kaum etwas. Ob beim Spargelstechen, der Erdbeer- oder Apfelernte – viele Betriebe sind jedes Jahr auf die Unterstützung von Arbeitskräften aus Osteuropa angewiesen. Sie leisten ihren Beitrag, damit bei uns frisches Obst und Gemüse auf dem Teller landet. Ihre Arbeitsbedingungen rücken aber verstärkt in den Fokus – dabei geht es in erster Linie um sprachliche Barrieren bei Unterweisungen und die besonderen körperlichen Belastungen.

Eine tragende Säule der Landwirtschaft

Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen: Im Jahr 2023 waren rund 243.000 Saisonarbeiter in der deutschen Landwirtschaft tätig – das entspricht einem Anteil von 28 Prozent an allen Beschäftigten im Agrarsektor. Besonders in Regionen mit arbeitsintensiven Kulturen wie Spargel oder Obst sind Betriebe auf kurzfristige Verstärkung angewiesen.

Die meisten Saisonkräfte kommen aus Rumänien und Polen, zunehmend auch aus Moldau und Georgien. Die wirtschaftliche Motivation ist klar: Trotz Mindestlohnpflicht bleibt das Lohnniveau in Deutschland – derzeit liegt der Mindestlohn bei 12,82 Euro, bis 2027 soll er auf 14,60 Euro steigen – deutlich über dem in vielen Herkunftsländern.

Diese Beschäftigten sind nicht nur Teil des Systems – sie tragen es wesentlich mit. Der Deutsche Bauernverband warnte jüngst davor, dass ohne sie ganze Ernten ausfallen könnten. Dabei wird häufig übersehen: Saisonarbeit ist nicht nur körperlich fordernd, sondern auch mit gesundheitlichen Risiken verbunden.

Hohe körperliche Belastungen

Wer über Stunden in der prallen Sonne steht, gebückt arbeitet oder schwere Körbe schleppt, ist hohen körperlichen Belastungen ausgesetzt. Muskel-Skelett-Erkrankungen oder auch langfristige Hautschäden sind die größten langfristigen Gefährdungen. Die Sonneneinstrahlung und die Hitze im Sommer können außerdem zu Erschöpfung, Sonnenstich oder Kreislaufproblemen führen. In Kombination mit unzureichender Regeneration und mangelhafter medizinischer Versorgung steigt das Risiko zusätzlich.

Hinzu kommt die Wohnsituation. In Medienberichten und Studien werden regelmäßig Mängel bei der Unterbringung genannt: enge Räume, fehlende hygienische Standards und hohe Mieten, die vom Lohn abgezogen werden. Die gesundheitlichen Belastungen gehen damit weit über den eigentlichen Arbeitsprozess hinaus.

Sprachbarrieren als Sicherheitsrisiko

Ein wesentliches Problem: Viele Saisonarbeiter verstehen weder Deutsch noch Englisch ausreichend. Sicherheitsunterweisungen, Betriebsanweisungen oder Hinweise zu Schutzmaßnahmen verpuffen, wenn sie sprachlich nicht zugänglich sind. Hinzu kommen kulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung von Risiken. Was in Deutschland als Schutzmaßnahme gilt, wird andernorts mitunter als übertriebene Vorsicht gewertet.

Deshalb betonen Arbeitsschutzexperten die Bedeutung kultursensibler Prävention. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) fordert in diesem Zusammenhang zielgruppengerechte Kommunikation – etwa durch mehrsprachige Materialien und muttersprachliche Unterweisung. Auch die Politik erkennt Handlungsbedarf: Im Bundestag wurde 2023 die Pflicht zur digitalen Arbeitszeiterfassung gefordert, um Arbeitszeitverstöße besser verfolgen zu können.

Digitale Unterstützung in der Prävention

Um die sprachlichen und kulturellen Barrieren zu überwinden, setzen viele Akteure auf digitale Formate. Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) bietet über ihre Web-App „Agriwork Germany“ Informationen zu Arbeitsschutz, Gesundheit, Hygiene und Rechtepflichten in zehn Sprachen an. Auch über Social Media – etwa auf Instagram und Facebook – werden gezielt Saisonarbeiter in ihrer Muttersprache angesprochen. Mehr als 23 Millionen Kontakte verzeichnete die SVLFG im Jahr 2024. Bei den Angeboten geht es etwa um Themen wie Sonnenschutz, gesunde Ernährung oder sicheres Arbeiten mit Maschinen. Auf YouTube finden sich zudem über 18 mehrsprachige Videos, die zentrale Unterweisungsthemen aufgreifen.

Eine Evaluation, die die SVLFG in Auftrag gegeben hatte, zeigte: Mehr als 90 Prozent der befragten Saisonarbeiter fühlten sich durch die Angebote gut informiert. Sie empfanden Formate wie die betrieblichen Gesundheitstage als ein Zeichen von Wertschätzung.

Diese Gesundheitstage fanden 2024 in mehr als 30 Betrieben statt. Dabei wurden über 3.000 Saisonarbeiter in ihrer Muttersprache über Gesundheitsgefahren wie Hitze und UV-Strahlung informiert. Ergänzend gab es praktische Unterstützung: kostenlose Sonnenhüte, Sonnenschutzmittel und die Möglichkeit, Fragen direkt mit Fachleuten zu besprechen. Durch die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Verein für Wanderarbeiter konnte die Zahl der muttersprachlichen Berater ausgeweitet werden.

Wirksame Mittel für mehr Arbeitsschutz

Diese Initiativen zeigen: Es bewegt sich etwas im Bereich des Arbeitsschutzes für Saisonarbeiter. Doch der Weg zu fairen Arbeitsbedingungen ist noch weit. Denn Arbeitsschutz ist mehr als ein Pflichtprogramm. Er bedeutet Schutz vor Ausbeutung, vor Überlastung und vor gesundheitlichen Schäden.

Gleichzeitig wird deutlich: Digitalisierung, interkulturelle Kommunikation und niedrigschwellige Informationsangebote können viel bewirken – wenn sie richtig eingesetzt werden. Betriebe, die auf mehrsprachige Unterweisungen, kultursensible Ansprache und strukturierte Prävention setzen, erhöhen die Sicherheit der Arbeitsplätze.

*Bei der Erstellung dieses Beitrags wurde die Redaktion durch generative KI unterstützt.