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Wie sicher ist Zeitarbeit?
Leih- oder Zeitarbeit ist eine mittlerweile weitverbreitete Arbeitsform. Wie steht es um den Arbeitsschutz in der Branche und wer ist dafür verantwortlich?
Leih- oder Zeitarbeit ist eine umgangssprachliche Bezeichnung, das zugrunde liegende Gesetz heißt „Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung“ (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG), die auf diese Weise Arbeitenden werden dort als „Leiharbeitnehmer“ bezeichnet. Ende 2021 waren in Deutschland im Jahresdurchschnitt rund 815.000 Beschäftigte als Leiharbeitnehmer tätig, das entspricht einem Anteil von 2,1 Prozent an allen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Im Jahr 2017 war mit etwas über einer Million der bisherige Höchststand erreicht. Die Politik hat dann aufgrund häufiger Missbrauchsvorwürfe und der befürchteten Verdrängung regulärer Arbeitsverhältnisse das Gesetz immer wieder nachjustiert, seitdem sind die Zahlen etwas gesunken.
Bei der Arbeitnehmerüberlassung sind drei Akteure beteiligt, der Leiharbeiter, der Verleiher und der Entleiher. Der Arbeitnehmer besitzt einen mit allen Rechten und Pflichten versehenen Arbeitsvertrag mit dem Verleiher, der Zeitarbeitsfirma. Der Entleiher – also der Betrieb, in dem der Leiharbeitnehmer tatsächlich arbeitet – hat mit der Zeitarbeitsfirma einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag (AÜV) geschlossen, der unter anderem regelt, dass das Weisungsrecht an den Entleiher übertragen wird.
ANZAHL DER ZEITARBEITER IM JAHRESDURCHSCHNITT JEWEILS ZUM 31. DEZEMBER
In der Arbeitsunfallstatistik der gesetzlichen Unfallversicherung ist die Zeitarbeitsbranche überproportional vertreten. Das liegt daran, dass Zeitarbeiter zu einem großen Teil einfache manuelle Tätigkeiten in der Produktion und im wirtschaftlichen Dienstleistungsbereich ausführen. Von den rund 76.000 registrierten Arbeitsunfällen in der Branche im Jahr 2017 (aktuellere Zahlen liegen nicht vor) betrafen deutlich über 50 Prozent Hilfsarbeiter im Bergbau, im Baugewerbe, im verarbeitenden Gewerbe und im Transportwesen.
Der Arbeitsschutz für Leiharbeiter wird im AÜG in Paragraf 11 behandelt. Dort heißt es: „Die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers bei dem Entleiher unterliegt den für den Betrieb des Entleihers geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts; die hieraus sich ergebenden Pflichten für den Arbeitgeber obliegen dem Entleiher unbeschadet der Pflichten des Verleihers.“ Was besagt dieser Abschnitt nun? Zunächst ist eindeutig geregelt, dass der Betrieb, in dem der Leiharbeiter tätig wird, für den Arbeitsschutz verantwortlich ist.
ENTLEIHER UND VERLEIHER MÜSSEN BEIM ARBEITSSCHUTZ ZUSAMMENARBEITEN
Allerdings folgt dann der Satzteil: „unbeschadet der Pflichten des Verleihers“. Der Arbeitgeber des Leiharbeiters ist nicht der entleihende Betrieb, sondern die Zeitarbeitsfirma. Und damit ist sie nach dem Arbeitsschutzgesetz für den Arbeitsschutz ihrer Mitarbeiter verantwortlich. Das klingt nach einem Widerspruch. Ist es vielleicht auch, im Gesetzestext wird er jedenfalls nicht aufgelöst.
In der Praxis bedeutet das, dass sowohl Entleiher als auch Verleiher Pflichten im Arbeitsschutz erfüllen müssen. Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), bei der Zeitarbeitsunternehmen in der Regel unfallversichert sind, schreibt daher: „Für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten in der Zeitarbeit sind Unternehmerinnen und Unternehmer der Zeitarbeitsunternehmen sowie der Einsatzbetriebe gleichermaßen verantwortlich.“ Beide Unternehmen müssen beim Arbeitsschutz daher eng zusammenarbeiten.
So müssen beispielsweise beide Unternehmen jeweils eine Gefährdungsbeurteilung durchführen. Das bedeutet, dass das Zeitarbeitsunternehmen den zukünftigen Arbeitsplatz des verliehenen Arbeitnehmers vor Einsatzbeginn besichtigen muss. Die Besichtigung ist Teil der Gefährdungsbeurteilung. Das Zeitarbeitsunternehmen prüft, ob die Gefährdungsbeurteilung des Einsatzunternehmens ausreichend ist, und entscheidet dann, ob der Einsatz ihres Mitarbeiters dort sicher ist. Bei einer unzureichenden Gefährdungsbeurteilung des Einsatzbetriebs führt das Zeitarbeitsunternehmen die Gefährdungsbeurteilung in Zusammenarbeit mit dem Einsatzbetrieb selbst durch. Die VBG stellt dafür ein Formular bereit, das dem Verleiher auch die vorgeschriebene Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung ermöglicht (www.vbg.de/zeitarbeit).
Der Verleiher beziehungsweise dessen Personalverantwortlicher oder eine Fachkraft für Arbeitssicherheit führt auch nach Einsatzbeginn Besichtigungen des Arbeitsplatzes durch. Dort achtet er zunächst darauf, ob der Arbeitsplatz den im Überlassungsvertrag vereinbarten Bedingungen entspricht und der Betrieb generell die Arbeitsschutzanforderungen erfüllt. Danach wird geprüft, ob der Entleiher den Arbeitnehmer unterwiesen hat und ihm die eventuell benötigte persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung stellt. Gegebenenfalls wird abschließend eine weitere arbeitsmedizinische Vorsorge festgelegt.
EINE BESONDERHEIT STELLT DIE GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNG PSYCHISCHER BELASTUNGEN DAR
Es empfiehlt sich, in den Überlassungsvertrag eine Arbeitsschutzvereinbarung aufzunehmen. Die Aufteilung der Pflichten kann dort genau geregelt werden. Auch hierfür ist auf der Website der VBG ein entsprechendes Formular vorhanden.
Eine Besonderheit stellt die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen dar, sie hat zwei unterschiedliche Ausprägungen. Der Einsatzbetrieb muss für den konkreten Arbeitsplatz, an dem der Leiharbeiter eingesetzt werden soll, die psychischen Belastungen beurteilen. Leiharbeit als solche, unabhängig vom jeweiligen Einsatz, hat für Beschäftigte besondere Anforderungen. Häufig wechselnde und neue Arbeit oder auch die Ungewissheit, wie lange der Einsatz dauert und wann der nächste kommt. Diese Form der psychischen Belastungen beurteilt die Zeitarbeitsfirma selbst und leitet gegebenenfalls Arbeitsschutzmaßnahmen ein.