- Editorial
- Schwerpunkt
- Mit schärferen Sanktionen zu mehr Sicherheit?
- Der PSA-Markt boomt
- Wenn der Zoll die Einfuhr stoppt
- PSA: Geprüfte Sicherheit
- Riskante PSA trotz Konformität?
- So funktioniert die Einfuhr aus China
- Kostenfrage PSA
- Gesund arbeiten in China
- Zwischen Abkühlung und Reformdruck
- Warum Arbeit in China gefährlich bleibt
- Interkulturelle Kompetenz als Erfolgsfaktor
- Das Image „Made in China“
- Sicher und gesund arbeiten
- Alles, was Recht ist
- Praxis
- Produkte & Märkte
- Damals
- Ausblick
Das Image „Made in China“
Was Deutschland von China lernen kann

Foto: openwater – stock.adobe.com
China hat sich in den letzten Jahrzehnten vom Massenproduzenten einfacher Waren zu einem Hersteller von Qualitätsprodukten und technologischen Innovator entwickelt. Dieser Wandel verändert nicht nur zunehmend das globale Wirtschaftsgefüge. Speziell Deutschland sollte seine Einstellung gegenüber dem asiatischen Partner und Konkurrenten überdenken.
Text: Jonas Polfuß
AUF DEN PUNKT:
- China hat sich von einem Hersteller einfacher Massenprodukte zu einem Anbieter hochwertiger und innovativer Produkte entwickelt
- Während China gezielt von westlichen Erfolgsmodellen lernt und diese anpasst, zeigt Deutschland häufig Zurückhaltung, von Chinas Fortschritten zu lernen
- Anstatt China lediglich als Konkurrenten zu sehen, sollte Deutschland die Chancen einer Zusammenarbeit nutzen. Ein offener Austausch kann beiden Ländern helfen, ihre Stärken zu kombinieren und voneinander zu profitieren
Chinas Transformation zu einem führenden Industrie- und Innovationsstandort seit den 1990er-Jahren muss selbst kritische Beobachter aus dem Westen beeindrucken. In der deutschen Wahrnehmung bleiben viele dieser Veränderungen aber noch immer unbeachtet. Dabei ist es heute wichtiger denn je, Chinas Fortschritte sorgfältig zu verfolgen, um von dem Land zu lernen und selbst wettbewerbsfähig zu bleiben. Warum es Zeit wird, dass sich Deutschland stärker an „Made in China“ ein Vorbild nimmt, wird im Folgenden näher erörtert.
Von der „Werkbank der Welt“ zur Innovationsmacht
Die chinesische Regierung verabschiedete 2015 mit der „Made in China 2025“-Strategie einen ambitionierten Fahrplan zur Modernisierung der heimischen Industrie. Dies markiert jedoch nur die erste Etappe eines langfristigen Plans. Bis zum 100. Geburtstag der Volksrepublik im Jahr 2049 möchte China endgültig zur führenden „Industrie-Supermacht“ aufgestiegen sein – und nach aktuellem Stand könnte dieses Ziel deutlich früher erreicht werden.
Die Marke „Made in China“ soll künftig nicht mehr für billige Massenprodukte stehen. Das Land möchte ebenso mit Innovation, Qualität und Effizienz punkten – was als Kampfansage an etablierte Industrienationen wie Deutschland gelesen werden kann. Mehr und mehr chinesische Unternehmen behaupten sich heutzutage in Industriesektoren, in denen Deutschland traditionell Marktführer war und teils noch ist. Besonders deutlich zeigt sich dies in der Automobilindustrie, aber auch im Maschinenbau und der Elektroindustrie – Kernbranchen der deutschen Wirtschaft, die in China nicht zufällig in den Fokus genommen wurden. Die staatlich gelenkte Industriepolitik hat sich schon früh an der deutschen Erfolgsgeschichte orientiert.
Gleichzeitig ist es falsch, Chinas Entwicklung auf das bloße Nachahmen westlicher Industrienationen zu reduzieren. Der chinesische Hunger auf Wachstum und Fortschritt hat zu einer beeindruckenden Innovationskraft geführt, die im neuen Jahrtausend im internationalen Vergleich wohl einmalig ist. Staatliche Förderung, Technologietransfer und eigenständige Entwicklungen haben China in Bereichen wie der Digitalisierung und Informationstechnologie zu einem klaren Vorsprung gegenüber Ländern wie Deutschland verholfen.
Chinas Produkte in Deutschland
Trotz des teils noch negativen Images sind chinesische Produkte längst in deutschen Haushalten angekommen. Daran ändert die Welle an Billigware wenig, die über Temu und Co. weltweit unterwegs ist. Nicht selten ist deren Qualität mit den Angeboten deutscher Handelsunternehmen vergleichbar, die seit Jahren in China günstig herstellen lassen und lediglich das eigene Markenlogo ergänzen. Zugleich überzeugen anspruchsvolle Elektronikprodukte chinesischer Marken inzwischen selbst hartgesottene Fans amerikanischer Tech-Firmen (die auch in China herstellen lassen). Umfragen zufolge kaufen immer mehr Deutsche Smartphones, Computer oder Kameras von Chinas Herstellern – mit wachsender Zufriedenheit.
Die Aktivitäten chinesischer Unternehmen im Westen haben sich grundlegend verändert. Während früher viele kleinere Hersteller und Marken darauf abzielten, auf Plattformen wie Amazon das günstigste Produkt anzubieten, setzen sie heute vermehrt auf Markenbildung und Qualität – oft in Kombination mit imagestärkenden Niederlassungen im Ausland. Teilweise war die Qualität chinesischer Produkte schon länger mit bekannteren westlichen Markenprodukten vergleichbar – zumal sie bisweilen aus denselben oder benachbarten Fabriken in China stammten. Nun folgt dem Qualitätsanspruch auch eine entsprechende Kommunikations- und Markenstrategie.
Was Deutschland von China lernen kann
Kein unwesentlicher Faktor für Chinas rasanten Aufstieg ist die große Lernbereitschaft im Land, die unter anderem in der konfuzianischen Tradition verwurzelt ist. Seit Jahrzehnten reisen chinesische Delegationen in den Westen, um dortige Organisationen, Technologien und Geschäftsmodelle zu studieren. Diese Wissbegier beschränkte sich nie auf einzelne Unternehmen, sondern war Teil einer langfristigen Strategie, die vom Staat massiv gefördert wurde.
Chinas Unternehmer und Manager haben keine Berührungsängste, wenn es darum geht, von anderen zu lernen – und damit ist nicht Produktpiraterie gemeint, die keineswegs eine chinesische Erfindung ist. Sie adaptieren bewährte Konzepte, verbessern sie und passen sie an den eigenen Markt an. Diese Offenheit gegenüber fremdem Wissen und die Fähigkeit, es gezielt für die eigene Entwicklung zu nutzen, hat China zu einer globalen Wirtschaftsmacht gemacht.
In Deutschland hingegen fehlt es oft an dieser Bereitschaft, von China zu lernen. Zwar reisen inzwischen mehr deutsche Delegationen nach China, um von den digitalen Innovationen vor Ort zu lernen. Doch dieser Prozess verläuft vergleichsweise langsam und zögerlich – und kaum systematisch. Ohnehin drängt sich die Frage auf, ob dieser Mindset-Wandel für Deutschland zu spät kommt.
Westliche Überheblichkeit als Innovationsbremse?
Einige sehen westliche Überheblichkeit als großes Hindernis für den Wissenstransfer von China nach Deutschland. Fraglos halten manche deutschen Unternehmen und Entscheidungsträger an ihrem veralteten Bild von China als Raub- und Billigkopierer fest – wobei sie die eigenständige Innovationskraft des Landes unterschätzen. Das verhindert auch, dass wertvolle Erfahrungen und Konzepte aus China in Deutschland Fuß fassen können.
Besonders deutlich wird dies im Bereich der Elektromobilität. Während deutsche Autobauer lange Zeit auf Verbrennungsmotoren setzten, hat China massiv in die E-Mobilität investiert. Das Ergebnis ist, dass chinesische Elektroautos heute hohe Qualität zu ausgesprochen wettbewerbsfähigen Preisen bieten – und damit drängen sie auch zunehmend auf den europäischen Markt.
Natürlich gibt es in China Hindernisse für die Zusammenarbeit und den Wissenstransfer. Regulatorische Hürden, systematische Benachteiligungen, kulturelle Unterschiede und nicht zuletzt politische Spannungen erschweren mitunter den Austausch. Die Chancen, die sich aus einer verstärkten Kooperation ergeben könnten, sind allerdings nicht zu verachten.
Mehr Neugier wagen
Deutschland sollte seine Haltung gegenüber China überdenken und mehr Neugier für die Erfolgsmodelle des Landes entwickeln. Der chinesische Markt ist nicht nur für den Absatz interessant, sondern auch als Quelle für Innovationen und neue Geschäftsmodelle – sei es bei der Entwicklung im E-Commerce oder beim Umgang mit Künstlicher Intelligenz. In China ist man längst stolz auf die hart erarbeitete Qualität von „Made in China“. Diese Marke steht zunehmend für Innovationskraft und Hightech – was künftig auch im Ausland selbstbewusster vertreten werden soll.
Die Zukunft liegt nicht in der Abschottung, sondern in einer intelligenten Kooperation, bei der beide Seiten voneinander lernen. Deutschland kann den chinesischen Erfolg anerkennen und daraus lernen oder untätig zusehen, wie der technologische Vorsprung in wichtigen Zukunftsbereichen weiter schwindet. Sich „Made in China“ als Vorbild zu nehmen, heißt nicht, China zu kopieren. Es geht darum, sich inspirieren zu lassen, um „Made in Germany“ neu zu erfinden.
DER AUTOR:
Prof. Dr. Jonas Polfuß ist promovierter Sinologe und langjähriger Chinakenner. Er erforscht den Einfluss und Wandel des Länderimages „Made in China“ und hat mit Markus H.-P. Müller das Buch „Deutschland und China zwischen Kooperation und Konkurrenz“ veröffentlicht. Mit seinem Portal China-Wiki.de setzt sich Professor Polfuß seit 2012 für den Wissens- und Kulturaustausch zwischen China und Deutschland ein. Zudem teilt er seine Erfahrungen aus zahlreichen interkulturellen Kooperationsprojekten als Berater und Trainer auf China-Kommunikation.de.